AutorInnenkollektiv „Texte für den Widerstand“

Immer öfter ist im Zusammenhang mit den aktuellen Studierendenprotesten von der drohenden Privatisierung der Hochschulen zu hören. Dass Befürchtungen dahingehend nicht unbegründet sind, zeigt unter anderem die Beschäftigung mit den auf EU-Ebene vorangetriebenen „Liberalisierungsbemühungen“ im Dienstleistungssektor, von denen auch die Universitäten betroffen sind. Hierzu einige aktuelle „Highlights“.

EU-Dienstleistungsrichtlinie und die Privatisierung von Bildung

Die von der EU-Kommission im Jahre 2004 vorgelegte Dienstleistungsrichtlinie beinhaltet die Forcierung von Privatisierungen im Dienstleistungsbereich. Die Richtlinie trat 2007 in Kraft. Bis zum Ende dieses Jahres muss ihre Umsetzung in nationales Recht vollzogen sein!

Augenscheinlich ist die EU darum bemüht, eine ganze Reihe öffentlicher Dienstleistungen der „Liberalisierung“ zu unterwerfen. Selbst wenn sie nicht unter die Bestimmungen der Richtlinie fallen, wird daran gearbeitet, Privatisierungen in diesem Bereich voranzutreiben. So auch bei Sozial- und Gesundheitsdiensten, die von der Richtlinie offiziell ausgenommen sind.

Erwähnenswert ist, dass Sozialdienstleistungen von der EU-Kommission prinzipiell als „wirtschaftliche Tätigkeiten“ eingestuft werden, wodurch sie praktisch für die Privatisierung freigegeben werden. Voraussetzung dafür ist zwar, dass ein Entgelt für eine Leistung erbracht wird, jedoch ist dabei keineswegs erforderlich, dass die Dienstleistung auch von demjenigen bezahlt wird, dem sie zugute kommt. Das heißt, die Art der Finanzierung spielt eigentlich keine Rolle. (Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2006)

Was aber bedeuten die EU-Liberalisierungsbestrebungen im Dienstleistungssektor für die Universitäten? Sind sie in ähnlicher Weise von Privatisierungen bedroht wie die Sozial- und Gesundheitsdienste? Die Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung bemerkt zum Bildungsbereich jedenfalls:

„Der Beschluss der EU-Dienstleistungsrichtlinie setzt auch Bildung als Dienstleistung zunehmend unter Druck, denn sie wurde aus dem Regelwerk, das den Wettbewerb bei öffentlichen Dienstleistungen forciert und verstärkt private Anbieter zulässt, nicht explizit herausgenommen. Durch den Übergang zur Wissensgesellschaft stellt Bildung einen der zentralsten „Märkte“ – mit einem geschätzten Wert von 27 bis 50 Billionen Dollar jährlich – dar – kein Wunder also, dass private Anbieter und Konzerne ein Stück von diesem zur Zeit noch großteils öffentlich verteilten Kuchen haben wollen. Das Interesse, den Bildungsbereich Marktmechanismen zu unterwerfen, wird durch die Tatsache, dass Bildungsausgaben zumeist antizyklisch sind, noch verstärkt: Denn in einer Krise steigen die privaten, staatlichen und kommunalen Bildungsausgaben: Für Umschulung, Zusatzqualifikationen, Weiterbildung, Nachhilfe werden bei drohender Arbeitslosigkeit mehr Gelder ausgegeben.“ (ÖGPP 2008)

Studiengebühren

„Man kann nicht immer mehr Geld geben, man muss die Rahmenbedingungen ändern.“ (oe1, 13.10.2009), so äußert sich Wissenschaftsminister Hahn am 13. Oktober dieses Jahres über seine Überzeugungen bezüglich der Notwendigkeit von Studiengebühren.

Es geht tatsächlich nicht allein um die Frage der Höhe der Hochschulfinanzierung, sondern vor allem auch um die „Rahmenbedingungen“. Die Frage ist, ob die Einhebung von Studiengebühren im Zusammenhang mit der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie hinreichend ist, damit die Universitäten dem Markt geöffnet und schließlich privatisiert werden können. Die Sache scheint nicht ganz ausgemacht: Dies hat mit der Definition der Begriffe Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu tun: Letztere fallen unter die Bestimmung der Richtlinie:

„Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind Dienstleistungen, die für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden, und fallen deshalb in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.“ (Rat der Europäischen Kommission 2006)

Dabei ist aber nicht genügend definiert, für welche Dienstleistungen genau die Regelung greift. Da ohnehin davon ausgegangen wird, dass praktisch alle Dienstleistungen wirtschaftlicher Art sind, muss erst gründlich festgehalten werden, was von den Bestimmungen der Richtlinie auszunehmen ist. Wird dies nicht getan, ist somit klar, dass die betreffende Dienstleistung unter das Regelwerk der Richtlinie fällt.

Die Universitäten sind von den Bestimmungen der Dienstleistungsrichtlinie nicht ausgenommen! In der Richtlinie heißt es jedoch: Die „Zahlung einer Gebühr durch den Dienstleistungsempfänger, z.B. eine Unterrichts- oder Einschreibegebühr, die Studenten als Beitrag zu den Betriebskosten eines Systems entrichten, stellt als solche kein Entgelt dar, da die Dienstleistung noch überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird.“ (Ebd.)

Dies sorgt nicht notwendigerweise für Klarheit, sondern macht die Universitäten zu einem Gegenstand der Verhandelbarkeit hinsichtlich möglicher Privatisierungen. Überhaupt sei es den Mitgliedsstaaten freigestellt, „im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht festzulegen, welche Leistungen sie als von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten […]“ (Ebd.).

Diese Ungereimtheiten bestimmen dann auch die Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie auf nationaler Ebene. Im Entwurf des österreichischen Bundesgesetzes wird man die Universitäten vergeblich im Ausnahmenkatalog suchen.

Es ist bemerkenswert, dass Österreich nicht nur die Position einer reinen Erfüllung der Richtlinie eingenommen hat, die Regierung will diese in vorauseilendem Gehorsam weitreichender implementieren. Lediglich in den Erläuterungen zu § 3 Abs. 1 Z 1 der Regierungsvorlage zum Dienstleistungsgesetz heißt es dann auf Anraten des BM f. Unterricht, Kunst und Kultur sowie auch des BM f. Wissenschaft und Forschung:

„Zu Z 1: Nicht-wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sind Dienstleistungen, die nicht für eine wirtschaftliche Gegenleistung erbracht werden, wie beispielsweise im Rahmen des nationalen Bildungssystems erteilter Unterricht […]. Im Zweifelsfall“, so wird hinzugefügt, „ist die Frage, ob eine Dienstleistung wirtschaftlicher oder nichtwirtschaftlicher Natur ist, anhand der Rechtsprechung des EuGH zu klären.“ (Regierungsvorlage 2009)

Es kann wohl nicht angenommen werden, dass hiermit die Gefahr der Privatisierung der Universitäten abgewendet wird. Im Gegenteil, der öffentliche Charakter der Hochschulen wird immer mehr durch die Praktiken der EU auf dem Gebiet der Privatisierung des Dienstleistungssektors in Frage gestellt. Hochschulen stehen ebenso zur Disposition, wie eine große Palette weiterer öffentlicher Dienstleistungen, die aktuell von Privatisierungen bedroht sind. Wesentlich bleibt also, ob Studiengebühren eingehoben werden oder nicht.

Von der öffentlichen Diskussion darüber weitestgehend abgeschirmt, soll das Dienstleistungsgesetz Ende Dezember in Kraft treten. Bis dahin kann noch einiges passieren. Die Studierenden und alle fortschrittlichen Kräfte müssen jetzt zeigen, dass sie nichts davon halten, dass Bildung zu einem Gegenstand der Marktöffnung und Privatisierung wird. Um das muss es jetzt vor allem gehen. Denn es geht tatsächlich nicht um den „Tropfen auf den heißen Stein“, sondern um die Bedingungen, unter denen Bildung stattfinden kann.

Konsequenzen der Privatisierung

Es ist ganz klar, dass mit der möglichen Privatisierung der Universitäten eine vollständige Neuausrichtung hinsichtlich der Universitätsorganisation, der Organisation des Studiums, der Organisation von Forschung und Lehre sowie auch der Finanzierung notwendig wird. Die Entwicklungen der letzten Jahre in Österreich weisen diesbezüglich in eine eindeutige Richtung.

Studentische Mitbestimmung und universitäre Demokratie wurden zurückgedrängt, da dies in einem „Dienstleistungsbetrieb“, in dem Kundenbeziehungen herrschen, keinen Platz hat. Der große Angriff gegen die studentische Mitbestimmung ist bereits vollzogen: Die Drittelparität ist Geschichte und auch der Mittelbau ist weitgehend entmachtet. Momentan erfolgt gerade der Umbau der Ordinarienuniversität in Richtung einer „Präsidialuniversität“.

Das Studium wird immer mehr nach Effizienz- und Verwertungsaspekten organisiert. Es geht vor allem nicht mehr um die Vermittlung von Wissen, sondern um die Vermittlung marktkonform umsetzbarer, vordefinierter sowie international vergleichbarer und standardisierter „Inhalte“, was für die Konzerne vor allem auch den Zugriff auf konkrete Qualifikationen entsprechend der jeweiligen Marktlage erleichtern soll.

Dies impliziert nicht zuletzt eine Orientierung auf „Elitenbildung“ inklusive den dazugehörigen Steuerungsmechanismen, welche es den jeweiligen Fakultäten und Hochschulen erlauben sollen, gemäß den auferlegten Verwertungskriterien, den „Zustrom“ an Studierenden zu regulieren.

In diesen Rahmen passen auch die gegenwärtigen Finanzierungsregeln der Universitäten, wonach diese zusätzliche Mittel erhalten können, wenn sie den gewünschten „Output“ liefern, der an am Markt orientierten Leistungserfordernissen ausgerichtet ist. Die Finanzierung gemäß solcher Kriterien beschleunigt einen Differenzierungsprozess innerhalb der Universitätslandschaft entsprechend den Liberalisierungs- und Privatisierungstendenzen.

Eine Privatisierung der Universitäten würde es zudem erforderlich machen, die gesamte Universitätsfinanzierung umzugestalten, sodass private Anbieter hinsichtlich der Subventionierung durch öffentliche Mittel nicht schlechter gestellt sind als öffentlich betriebene Universitäten.

Die Ausrichtung der Universitäten gemäß den neoliberalen Verwertungserfordernissen ist bereits seit langem „erfolgreich“ in Gang. Dies alles bezweckt vor allem, auch die Universitäten für eine mögliche Privatisierung „fit“ zu machen. Wer sich nicht gegen den Hauptinhalt der „Reformen“ im Bildungsbereich der letzten Jahre richtet, der wird den verschiedenen Einzelmaßnahmen letztendlich nicht viel entgegenzusetzen haben.

Stopp der Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen und der Universitäten!

Verhindern wir jetzt das Dienstleistungsgesetz in Österreich!

Literatur:

Groth, Annette /Wicht, Christine (2009), Bolkestein im Anmarsch, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Ausgabe 10/2009, S. 18-21
Huffschmid, Jörg (2008), Die Bedeutung der EU für die Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, in: Torsten Brandt u.a. (Hg.), Europa im Ausverkauf. Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und ihre Folgen für die Tarifpolitik, Hamburg 2008, S. 14-41
Kommission der Europäischen Gemeinschaft (2006), Umsetzung des Gemeinschaftsprogramms von Lissabon, Die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse in der Europäischen Union, http://ec.europa.eu/employment_social/social_protection/docs/com_2006_177_de.pdf
Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung (2008), Privatisierung und Liberalisierung kommunaler Dienstleistungen in der EU, http://www.politikberatung.or.at/typo3/fileadmin/02_Studien/1_Liberalisierung/liberalisierungsbericht2008.pdf
Rat der Europäischen Kommission (2006), Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt,
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32006L0123:DE:HTML
Regierungsvorlage (2009), Dienstleistungsgesetz – DLG, IMI-Gesetz, Preisauszeichnungsgesetz, Konsumentenschutzgesetz, Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, Materialien, http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/I/I_00317/fname_165733.pdf