Von Clara Kopf

Vergangenen Herbst rückte das Bekannt werden einer brutalen Neonazi-Mordserie in Deutschland die Gefahr rechter Gewalt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die rechte Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), gegründet von den 1998 untergetauchten Neonazis Uwe M., Uwe B. und Beate Z., ermordete in einem Zeitraum von mehreren Jahre mindestens zehn Menschen. Mordende Neonazis, untätige Ermittler – das Bild, dass sich durch die jahrelange Aktivität der Nazi-Terroristen ergab, warf kein gutes Licht auf die deutschen Behörden. Mehr noch: der deutsche Verfassungsschutz war in der rechtsextremen Szene mittendrin statt nur dabei.

Verfassungsschutz als „Hauptsponsor“

Laut Medienberichten hatte er allein im Umfeld des sogenannten „Thüringer Heimatschutzes“, dem B., M. und Z. bis zu ihrem Abtauchen angehörten, mindestens fünf V(erbindungs)-Leute und Informanten. Unter V-Leuten versteht man Neonazis, die vom Verfassungsschutz für Informationen bezahlt werden – und das nicht schlecht. Tino B., Neonazi-Führungskader und im selben Umfeld wie die NSU-Terroristen vor ihrer Flucht tätig, gibt ein Beispiel für das irrsinnige System der V-Leute ab. Er erhielt vom Verfassungsschutz rund 200.000 Euro für seine Dienste als V-Mann. Gleichzeitig sammelte B. nach dem Untertauchen von Uwe M., Uwe B. und Beate Z. Geld für die flüchtigen Nazis. Während der Verfassungsschutz also eifrig Geld an vermeintliche Informanten in Nazikreisen zahlte, konnte das Neonazitrio des NSU unbehelligt morden.

Unfähigkeit? Unwille!

Es reicht jedoch nicht, ob der plumpen Ermittlungsmethoden den Kopf zu schütteln. Was an der Oberfläche wie Unfähigkeit wirkt, gibt sich hinter den Kulissen als Unwille zu erkennen, rechtsextreme Gewalttaten als solche zu benennen und zu verfolgen. Grund hierfür ist nicht selten eine Verbandelung zwischen Verfassungsschutzmitarbeitern und rechten Kreisen. So musste beispielsweise der Ex-Chef des Thüringer Verfassungsschutzes Helmut Roewer sein Amt räumen, als bekannt wurde, dass von ihm genehmigte Spitzel-Honorare von mehr als 100.000 Euro direkt in Neonazi-Propaganda, auch für den „Thüringer Heimatschutz“, flossen. Detail am Rande: Roewer publizierte 2012 ein Buch im Grazer Ares-Verlag, einem Tummelplatz für Autoren aus dem rechten Eck.

Tu felix Austria?

Glaubt man den zuständigen Behörden hierzulande, so möchte man fast meinen, Österreich stellt in punkto rechter Gewalt eine Insel der Seligen dar. Der Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung behauptet in einem ORF-Bericht, die Rechten fest im Griff zu haben. Nicht ohne Verweis darauf, dass es ja auch „linke Gewalt“ gäbe. Dass diese sich jedoch gegen Gegenstände richtete, während rechte Gewalttaten auch in Österreich Todesopfer forderte, wird nicht erwähnt. Auch Kontakte zwischen dem NSU und der österreichischen Neonazi-Szene werden Seitens des Verfassungsschutzes ausgeschlossen.

Ein genaueres Hinsehen lässt diese Behauptung jedoch fragwürdig erscheinen. Dass zwischen Neonazis in Österreich und Deutschland bereits seit jeher ein reger Austausch besteht, ist kein Geheimnis. Es finden gemeinsame Wehrsportübungen statt. Auch länderübergreifende Waffenfunde wurden gemacht. Gottfried Küssel, der aufgrund seiner Mitarbeit an der Nazi-Hompeage alpen-donau.info wegen NS-Wiederbetätigung angeklagt wurde, war 2007 zum „Fest der Völker“ in Deutschland als Redner geladen. An dem Fest wirkten auch Hintermänner der NSU mit, der Organisator musste als Helfer des Terrornetzwerks in Haft.

Politische Motive werden systematisch ausgeblendet

Auch davon, dass die rechte Szene in Österreich „unter Kontrolle“ wäre, kann keine Rede sein. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Während der Verfassungsschutzbericht seit Jahren keine akute Gefahr von Rechts attestiert, gibt es in Österreich immer wieder Gewalttaten von Rechten – von Waffenfunden bei Neo-Nazis ganz zu schweigen. Behörden und Polizei bemühen sich jedoch tunlichst, jegliche politischen Hintergründe auszublenden, wenn nicht zu vertuschen. 2002 wurden bei der sogenannten „SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen“ mehr als hundert Schusswaffen von Maschinenpistolen bis Pumpguns und über 60.000 Schuss Munition gefunden. Auch die obligaten NS-Devotionalien hatten die Neo-Nazis zuhauf vorrätig. Das nun verhängte Urteil ist symptomatisch: Vier Leute wurden vor dem Bezirksgericht(!) nach dem Waffengesetz zu Geldstrafen verurteilt.

Als im Juni 2008 während der Fußball-Europameisterschaft in Klagenfurt ein Asylheim angezündet wurde, schloss der leitende Ermittler Brandstiftung dezidiert aus – entgegen der Berichte der Gutachter. Ein Amtsmissbrauchsverfahren gegen den Beamten wird eingestellt. Obwohl der Verfassungsschutz behauptet, gerade bei solchen Fällen die Motivlage besonders zu berücksichtigen, scheint es eher so, als würde man diese systematisch ausblenden, sobald Rassismus oder rechtsextreme Ideologie ins Spiel kommt.

„Nachbarschaftsstreit“ statt rassistischer Mord

Das Leugnen von Gewalttaten und Verbrechen mit rechtem Hintergrund kennt man in Österreich also zur Genüge. Wo Nazi-Prügelattacken zu gewöhnlichen Wirtshausschlägereien werden, da schreckt man auch nicht davor zurück, rassistische Morde zu banalisieren. So geschehen im vergangenen Jahr. Als ein ehemaliger Berufssoldat vor seinem Haus einen 65-jährigen gebürtigen Rumänen erschießt und man bei ihm Bekennerschreiben mit ausländerfeindlichem Inhalt findet, schließt die Polizei eine politische Motivation dennoch aus. Der Täter sagt später aus, gezielt gegen „Ausländer“ vorgegangen zu sein – für den Verfassungsschutz ein „Nachbarschaftsstreit“.