Über Überforderung im Turnus, sinnbefreite Prüfungsmodalitäten und den besseren Umgang mit finanziellen Mitteln sprach die R0TCROWD mit Sebastian Wisiak.

 

Was sind die Hauptanliegen des KSV?

Sebastian Wisiak: Unser Augenmerk liegt vor allem auf dem Thema Qualität. Im neuen Studienplan schaffen es viele, das Studium in der Mindestzeit abzuschließen, weil sie dauernd Prüfungsfragen auswendig lernen. Im Turnus sind die Meisten dann aber überfordert, weil in der Praxis eine ganz andere Art von Wissen gebraucht wird. Ein Notfall im Nachtdienst, auf den man nicht vorbereitet ist, kann schnell zu einem Stresserlebnis werden, das man nicht mehr vergisst.

 

Soll das heißen, unsere zukünftige Ärzteschaft kann nichts und weiß nichts?

Sebastian: Ganz so schlimm ist es nicht, aber man merkt zum Beispiel, dass Ärztekinder und Freiwillige beim Roten Kreuz sich im Berufsleben leichter tun, weil sie über Wissen und Fähigkeiten verfügen, die von der Uni allein nur unzureichend vermittelt werden. Der Studienabschluss sollte aber bedeuten, dass ich auf eine selbständige ärztliche Tätigkeit vorbereitet bin. Wer nach Deutschland geht, braucht keinen Turnus zu machen, trägt aber gleich die volle Verantwortung für alles was er tut.

 

Wie wollt ihr die Qualität verbessern?

Sebastian: Es wäre notwendig Standards einzuführen – bei Prüfungsfragen, in den Seminaren und in der praktischen Ausbildung. Wenn ich in Multiple Choice Fragen Doppelverneinungen verwende und irrelevante Details abfrage, zwinge ich die Studierenden quasi dazu, Fragen auswendig zu lernen, anstatt ein Verständnis für Zusammenhänge aufzubauen. Seminare sollten sich um Symptome und deren Differentialdiagnosen drehen, denn Patienten und Patientinnen kommen normalerweise mit einem Problem, nicht mit einer fertigen Diagnose.

 

Und was soll sich am praktischen Teil der Ausbildung ändern?

Sebastian: Wir haben bis dato noch keine Überprüfung und Beurteilung von klinischen Tätigkeiten. In der Famulaturlizenz und der OSKE wird zwar überprüft, ob die Studierenden ein prinzipielles Verständnis aufweisen, aber nicht wie sie im klinischen Alltag funktionieren. Der KSV fordert schon lange einen Ausbildungspass, in dem festgehalten wird, was die Studierenden an praktischen Fertigkeiten lernen und wie gut sie sich dabei anstellen.

 

Ein Teil der Lehre wird über den sogenannten „Virtuellen medizinischen Campus“ (VMC) im Internet angeboten. Was hältst du davon?

Sebastian: Die Meduni hat bei der Entwicklung der Online-Lehre einfach nicht mithalten können. Der VMC ist richtig „retro“ und es zahlt sich mehr aus, auf YouTube Lehrvideos von englischsprachigen Universitäten anzuschauen, als sich zwanzig Seiten pdf durchzulesen, wie man eine praktische Tätigkeit richtig ausführt. Ich halte es nicht für sinnvoll, den VMC in dieser Form länger aufrecht zu erhalten – das Geld kann anders sinnvoller eingesetzt werden.

 

Sebastian Wisiak, 28, studiert Humanmedizin und ist Spitzenkandidat des KSV an der Meduni Graz.