Der Wert der Bildung misst sich nicht in Geldeinheiten!

Studieren als Lebensabschnitt, in dem man seinen Interessensgebieten genügend Zeit widmen, sich umfassend in die Theorie einlesen und sich nachhaltig Wissen aneignen kann – diese Vorstellung haben viele von einem Studium. Spätestens nach den ersten Lehrveranstaltungen weiß man jedoch, wie der Besuch einer Hochschule tatsächlich aussieht.

 

Schnell lernen, gleich wieder vergessen

Heutzutage besteht Studieren vor allem im möglichst kurzfristigen Aneignen von Wissensbrocken. Immer umfangreichere „Ratgeberliteratur“ verrät dir, wie du möglichst effizient zu deinem Abschluss kommst, ohne dabei „unnötig“ Zeit zu verschwenden. Schließlich gelten LangzeitstudentInnen als faule Bummler.

Dass wir nach der Prüfung das meiste wieder vergessen, ist das natürliche Resultat der heutigen Verhältnisse von Wissensaneignung und Leistungskontrolle. Möglichst vollgestopfte Lehrpläne, kurze Mindeststudienzeiten, ein Ende der Familienbeihilfe mit 24 bzw. in Ausnahmefällen mit 25 Jahren: Gesetzgeber und Unirektorat vermitteln dir, wie du zu studieren hast, nämlich rasch und nach einem möglichst strikt vorgegebenen Muster.

So sollst du dann Semester um Semester lang in meist überfüllten Hörsälen sitzen (bzw. notfalls stehen), Vorlesung nach Vorlesung abklappern und zum Tag X das kurz zuvor ins Kurzzeitgedächtnis gerufene „Wissen“ ordnungsgemäß wiedergeben. Am leichtesten fällt den völlig überlasteten LektorInnen die Leistungskontrolle per Kreuzerl- oder, modern gesagt, Multiple-Choice-Test.

Bei Lehrveranstaltungen mit mehreren hundert TeilnehmerInnen bist du nur mehr eine (Matrikel-) Nummer und dein „Wissen“ lässt sich durch Scanner und Computer auswerten. Jahreszahlen, Definitionen, einzelne Punkte aufzählen können: Heutzutage wird immer mehr das Herunterratschen von auswendig gelernten Inhalten verlangt; tieferes Verständnis, Zusammenhänge mit angrenzenden Fachbereichen erkennen können, selbständiges Denken und Kritikfähigkeit sind per MC-Test nicht erfassbar und offenbar auch gar nicht gewünscht.

Da ist es nur folgerichtig, wenn du den Stoff schnell wieder vergisst, schließlich braucht’s im Kopf auch Platz für die nächsten Prüfungen. Bloß nicht zu viel lernen, sonst fehlt dir wichtige Zeit für Arbeit oder Vorbereitung für andere Tests…

 

Wer hat‘s erfunden?

Natürlich schaden wir uns langfristig selbst, wenn wir im Studium nur nach der Bulimie-Methode lernen. Schließlich ginge es ja darum, sich zusammenhängendes Wissen und Verständnis anzueignen. Dennoch: Unterfinanzierung und Ökonomisierung im Bildungsbereich bringen immer mehr Studierende – insbesondere jene, die sich ihr Studium durch Lohnarbeit finanzieren müssen – dazu, nur mehr für Prüfungen zu studieren. Was Wirtschaft und Politik von uns Studierenden verlangen, ist so rasch als möglich keine Studierenden mehr zu sein!

All das hat absolut nichts mit einer „Dummheit“ oder „Kurzsichtigkeit“ der Regierenden zu tun. Die richten sich nur nach dem, was Pseudo-Gott Markt verlangt. Und das ist möglichst rasch und kostengünstig aufgezogenes Humankapital, das – weil in großer Zahl vorhanden – nicht zu viel Lohn verlangen soll und auch sonst die Klappe zu halten und zu laufen hat, wenn der Chef das wünscht.

Was die Unternehmer demnach überhaupt nicht brauchen können, sind kritische Köpfe, die sich auch mit dem beschäftigen möchten, was man nicht zur Steigerung des Profits verwenden könnte. All das, was eigentlich wesentlicher Bestandteil der Allgemeinbildung als Erkenntnis der Zusammenhänge von Umwelt und Gesellschaft durch den Menschen wäre, wird von den heutigen Meinungsmachern als „unnütz“ abgekanzelt.

 

Was wir unter Bildung verstehen

Wir KommunistInnen kämpfen für Universitäten, die allen Menschen ungeachtet ihrer finanziellen Mittel offenstehen. Die Hochschulen sollen sich nicht allein privatkapitalistischen Interessen unterordnen, sondern einer umfassenden Vorbereitung auf möglichst viele Bereiche des Lebens beziehungsweise der Gesellschaft sowie der Entwicklung der Persönlichkeit dienen. Nur eine fundierte Bildung, die die Zusammenhänge und Funktionsmechanismen unseres alltäglichen Lebens und unserer Gesellschaft durchleuchtet, ermöglicht es uns, diese Gesellschaft auch nach unseren Vorstellungen und Bedürfnissen zu verändern. Entsprechend den vielseitigen Interessenslagen und Begabungen aller Menschen sollten Hochschulen und Lehrpläne möglichst große Wahlfreiheit hinsichtlich der konkreten Studieninhalte sowie des Ablaufs bieten.

Es liegt auf der Hand, dass das übliche ECTS-Sammeln genau das Gegenteil bewirkt. Mit dieser Pseudo-Währung soll Bildung nach dem Prinzip „industrieller Setzkasten“ organisiert werden. Die Wahl der Lehrveranstaltungen richtet sich nicht mehr danach, ob sie vom Studierenden für sinnvoll gehalten werden, sondern nur mehr nach ihrer ECTS-Punktzahl. Jede Abweichung vom detailliert vorgegebenen Weg des Curriculums führt zu Zeitverlust und Problemen durch Voraussetzungsketten. Hintergrund des ECTS-Wahns ist das Bestreben vieler Unternehmen, am Bildungsmarkt ihre „Waren“ feilzubieten. Gerade die „Leistungspunkte“ erleichtern das Outsourcing einzelner Module zu privaten Anbietern, die dann angebliche Praxisnähe garantieren sollen.

Zugangsbeschränkungen und knock-out-Prüfungen machen deutlich, dass nur eine gewisse Zahl von AbsolventInnen gewünscht ist. Die so künstlich geschaffene Konkurrenzsituation führt dabei immer stärker zu einer Entsolidarisierung. Nach der kruden Logik des vermarkteten Bildungswesens schadet jede/r seinen eigenen Chancen, der anderen hilft. Spätestens hier wird klar, dass die Orientierung des Hochschulwesens an den Bedürfnissen des Marktes im Kern bildungsfeindlich ist.