Inskribieren, versuchen, in die für das jeweilige Semester vorgegebenen Kurse zu kommen, Prüfungen schreiben, Kurse besuchen, ECTS-sammeln, so schnell wie möglich abschließen. So sieht Studieren für uns heute aus. Die Erinnerung, dass es einmal anders war, hallt nur mehr bei wenigen dumpf nach. Bologna heißt hier das Stichwort als Überbegriff für den Prozess, im Rahmen dessen das Studieren an unseren Universitäten ab den 90ern reformiert wurde. Die Ziele dabei: Schnelle Abschlüsse für viele Studierende, Bürokratieabbau, europaweite Angleichung. Aufs erste Hinhören nicht schlecht, doch hing das Ergebnis der Reformen natürlich davon ab, in wessen Interesse sie durchgeführt wurden. 

Profitiert vom Bologna-Prozess hat vor allem das Kapital. Universitäten produzieren heute innerhalb kürzester Zeit Absolvent:innen. Oft werden sie auch schon während des Studiums abgeworben. Kritisches Hinterfragen, Aneignung von tieferem Wissen, Interessensschwerpunkten nachgehen – daran haben Firmenbosse nichts zu verdienen, also hat es in den Curricula kaum Platz. 

Die Folge: Entwertung von Universitätsabschlüssen, Verschulung der Universitäten und Bürokratie-Schikanen für Studierende. Mit dem Bachelor wurde ein neuer, schneller zu erreichender Abschluss eingeführt, der den Partikularinteressen der Eigentümerriege klar zu Gute kam. Berufe, in denen früher Personen mit Maturaabschluss eingestellt wurden, verlangen jetzt einen universitären Abschluss. Und das natürlich ohne höher entlohnt zu werden. Für Berufe, die früher einen Magister erforderten, ist jetzt ein Master nötig. Unsere Semester gleichen Schuljahren mit fixem Lehrplan in vorgesehenen Kursen, die wir mit unseren Studienkolleg:innen aus dem ersten Semester durchgehen. Vorausgesetzt, wir schaffen es, in die überfüllten Kurse zu kommen. In den vorgegebenen Kursen kommen dann auf eine Lehrperson meist 25 Studierende. Von Betreuung kann kaum mehr die Rede sein. Abfertigung wäre das richtige Wort. Auch von Bürokratieabbau keine Spur. Im Gegenteil: Die Mühen der Bürokratie lasten heute auf unseren Rücken. Illusorische Mindeststudienzeiten, Kursanmeldungsroulette und Fantasie-ECTS machen uns das Leben schwer. Alle, die schon einmal versucht haben, einen Kurs zu besuchen, der nicht im Curriculum explizit vorgegeben ist, können ein Lied davon singen, wie schwer es ist, die bürokratische Einhegung der Bildung zu durchbrechen. 

Oft wird am Bologna-System gelobt, dass durch die Angleichung des Bildungssystems auf Hochschulniveau endlich der Austausch von Studierenden europaweit, ja sogar weltweit (implizit von den Befürwortenden gemeint sind damit die USA und Großbritannien) möglich sein soll. Doch nicht einmal das ist aufgegangen. Tatsächlich ist die Mobilität von Studierenden sogar zurückgegangen – in sechs Semestern Mindeststudienzeit geht es sich eben nicht aus, ein Semester an einer anderen Universität zu verbringen, an der die für dieses Semester vorgesehenen Kurse natürlich nicht angeboten werden. 

Wir wollen nicht nur nach den Bedürfnissen unserer späteren Chefs ausgebildet werden! Die Universität muss ein Ort freier Bildung sein, an dem Forschung, Lehre und Studium, Professor:innen, Dozent:innen und Studierende in gegenseitigem Austausch das Wissen für eine bessere Zukunft erarbeiten. 

Deshalb fordern wir:

  • Umfassende Bildungsreform! Wir fordern die Ablösung des gescheiterten Bologna Systems durch eine allgemeine Bachelor-Stufe mit wissenschaftlicher Allgemeinbildung in verschiedenen Fachrichtungen als Vorbereitung für spezialisierte Master-Studien!
  • Tatsächliche Mobilitätsförderung! Sozial geförderte Mobilitätsstipendien aus öffentlicher Hand!
  • Anpassung der Mindeststudienzeit an die Durchschnittsstudienzeit. In einer komplexen Welt brauchen Studien länger.
  • Anpassung ECTS an tatsächlichen Lernaufwand