Von der Verklärtheit des Begriffes der Demokratie bis zur Anwendung des Prinzips auf den Universitäten. Unsere Universitäten in unserer Scheindemokratie entsprechen schon längst nicht mehr den Regeln der gleichberechtigten Mitbestimmung.

Auf der Suche nach Demokratie

Demokratie leitet sich  bekanntlich vom griechischen „demos“ (Volk) und „kratía“ (Herrschaft) ab. Damit ist es leicht zu erklären, warum „der Duden“ unter den Definitionen von Demokratie u.a. Folgendes anführt: „politisches Prinzip, nach dem das Volk durch freie Wahlen an der Machtausübung im Staat teilhat“. In Österreich und den meisten anderen Nationen dieser Welt leben wir, wenn es nach dem ersten Teilsatz geht, offenbar in wunderbaren Demokratien. Dass das Volk an der Machtausübung im Staat teilhat erschwert hingegen die Umlegung auf unsere Gesellschaft. In den kürzlich zu Ende gegangenen Wahlen warben alle Parteien erneut mit leeren Phrasen um ihr „traditionelles“ Wählerklientel. Dabei wurde den Menschen suggeriert, dass sich diese Parteien   für sie einsetzen würden.

Die Wahlen sind geschlagen, ihr Ausgang eigentlich egal

Doch es ist letzten Endes fast egal wer gewählt wird. Ganz gleich mit welchem Label die Bundesregierung auftritt, es werden weiter dieselben Prozesse vorangetrieben. Arbeitsrechte werden weiter abgebaut, soziale Einrichtungen geschlossen, Mietpreise steigen _ weiter, _ das Bildungssystem wird kaputtgespart. Wer ist dafür verantwortlich? Die Partei des modernen Mittelstandes, die Partei der Fleißigen, die Partei für leistbares Wohnen, die Partei für BIO-Gemüse oder die Partei für Nächstenliebe? Diese Regenbogen-Parade hält sich lediglich an die Spielregeln des Kapitalismus. Und diese Spielregeln sind eigentlich leicht auf eine Regel hinunter zu brechen: „Wer zahlt, entscheidet“! Das hat mit Demokratie nichts mehr zu tun.

Der Ausverkauf

Das Kapital macht auch vor den Toren der Universitäten nicht halt. Seit Jahren sind gerade hier neoliberale Angriffe zu beobachten. Die Universitäten werden abgeriegelt, Studiengänge verkommen zu Schmalspurausbildungen, „Orchideenfächer“ werden gegen MINT-Fächer ausgespielt. Die Kapitalistenklasse züchtet ihren Managernachwuchs heran, Großbanken lassen für gutes Geld Hörsäle nach sich umbenennen. Österreichische Konzerne bestimmen durch Sponsoring die Forschung und Lehre im Land. Universitätsräte verwalten die Hochschulen Aufsichtsräten gleich nach wirtschaftlichen, weniger wissenschaftlichen Prämissen. Unter dem Stichwort „Autonomie“ haben die Wirtschaftsterroristen schließlich mit den Jungen Liberalen einen politischen Arm in der ÖH, der genau diese Punkte verteidigt und mit einem Bobo-Chic unter die Studierenden bringen soll. Das läuft alles mal offen, mal hinter verschlossenen Türen – aber immer ganz legal innerhalb des bürgerlich-demokratischen Systems.

Das Prinzip der demokratischen Universität

Diese Maßnahmen der herrschenden Klasse sind aber nicht der einzige Weg und dieses System nicht das Ende der Geschichte. Ein alternatives Modell für die Hochschulen ist das Prinzip der demokratischen Universität. Dieses emanzipatorische Modell stützt sich im Wesentlichen auf drei Säulen: freier Zugang, interne Demokratie und demokratische Lehre und Forschung.

Um über die demokratische Universität zu sprechen, muss zuerst über ihre Eigenschaft als öffentliche Institutionen diskutiert werden.

Die österreichische Verfassung sieht die Universitäten als öffentliche Institutionen vor: „Die öffentlichen Universitäten sind Stätten freier wissenschaftlicher Forschung, Lehre und Erschließung der Künste.“ Der augenscheinliche Grund für diese Vorraussetzung liegt auf der Hand: private Universitäten können, wollen und werden einen freien Zugang nicht gewähren. Aber auch andere Faktoren werden durch diese Vorraussetzung der Öffentlichkeit bestimmt, u.a. der sehr wesentliche Punkt der Finanzierung. Öffentliche Universitäten müssen öffentlich finanziert werden. In welcher Höhe die Gelder aus der öffentlichen Hand kommen, ist unterschiedlich und wird in Österreich alle drei Jahre neu ausverhandelt. In der letzten Zeit hat sich hierzulande eine Diskussion um Beiträge der Studierenden ergeben. Dies widerspricht eindeutig dem ersten Pfeiler des Prinzips, dem freien Zugang.

Der freie Zugang

Die Gesellschaft besteht bekanntlich aus mehreren Klassen. Ein freier Zugang bedeutet, den Menschen unabhängig ihrer sozioökonomischen Herkunft den Zugang zu Bildung und in diesem Falle den Hochschulen zu gewähren. Heute bestehen zu einem großen Teil Hürden, mal mehr (Studiengebühren für „Langzeitstudenten“ und Nicht-EU-Bürger), mal weniger klar (Aufnahmetests). In beiden Fällen sind Jugendliche aus ärmeren Verhältnissen überproportional benachteiligt. In der Regel bleibt der Zugang zu universitärer Bildung Menschen aus den „niedrigsten“ Schichten komplett verwährt. Im umgekehrten Fall ist es die Ausnahme, dass Kinder reicher Familien nicht studieren. Diesen Menschen fallen Studienbeiträge natürlich nicht auf.

Ein freier Zugang zur Universität soll also gewährleisten, dass die soziale Durchmischung der Studierendenschaft proportional der Gesellschaft entspricht. Allen Klassen und Schichten der Gesellschaft muss der Weg in die Hochschulen tatsächlich offen stehen. Jegliche Hürden, die bereits in der Schule auftreten, müssen dabei bekämpft werden.

Wenn über Demokratie im Zusammenhang mit der Universität gesprochen wird, muss zwangsläufig auch die demokratische Mitbestimmung in der Hochschule selbst behandelt werden.

Die interne Demokratie

Im Duden findet sich unter Demokratie noch eine weitere Definition, die des Prinzips „der freien und gleichberechtigten Willensbildung und Mitbestimmung in gesellschaftlichen Gruppen“. Auf die Universität umgelegt würde das bedeuten, dass jede Gruppe im Verhältnis ihrer Gesamtzahl an Entscheidungsfindungen emanzipiert. Tatsächlich ist es aber so, dass mit Einführung des Universitätsgesetzes 2002 (UG 2002) eine völlige Verschiebung der Paritäten stattgefunden hat. Im Senat der Universitäten haben bei vollständiger Anwesenheit aller „Parteien“ Studierende samt Mittelbau (LektorInnen, etc.) nur knapp soviele Stimmen wie die kleinste Gruppe an der Universität die ordentlichen ProfessorInnen. Aber nicht nur hier besteht eine Schieflage an der demokratischen Entscheidungsfindung innerhalb der Universität. Durch den Universitätsrat sowie die Weisungen und „Ratschläge“ der Rektorate, werden wesentliche Entscheidungen (u.a. auch in finanzieller Hinsicht) völlig an den Studierenden und „niedrigen“ Angestellten der Hochschule vorbei entschieden. Dass eine Demokratie anders aussieht, versteht sich von selbst. Wahlen und durchgende Mitbestimmung der Studierenden und des Mittelbaus auf allen Ebenen der Hochschulen  sind für eine demokratische Universität unumgänglich. Entscheidungen der Universitäten müssen von allen Angehörigen der Universitäten mitbestimmt werden, um dem demokratischen Anspruch zu genügen.

Nachdem jetzt zwei Stützen des Prinzips der demokratischen Universität erläutert wurden bleibt noch ein Punkt offen; jener der demokratischen Lehre. Was ist darunter zu verstehen?

Die demokratische Lehre

„Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d.h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.“, schreibt Engels 1846 in dem von ihm und Marx herausgegebenen Werk „Die deutsche Ideologie“. Die Lehre degeneriert in der Gegenwart mehr und mehr zur Schmalspurausbildung. Die Förderung der Begabungen und Interessen der Studierenden, mit dem Ziel, ihre persönliche Entfaltung voranzutreiben und sie zu befähigen, ihre Umwelt zu verstehen, wird zunehmend verdrängt. Damit gerät ein Grundsatz humanistischer Bildung in Vergessenheit. Das ist nur verständlich; denn die zunehmend privaten Sponsoren des Bildungssystems interessieren anthropologische oder wirtschaftskritische Überlegungen nicht. Sie wollen möglichst schnell über ein Heer an Fachidioten verfügen, eine Schar halbakademisch ausgebildeter Menschen. Diese eignen sich besser als Stützen im Produktionsprozess und zur Aufrechterhaltung der Verhältnisse, Drittmittelfinanzierung und ähnliche Mechanismen, Profitinteressen prägen die Bildungslandschaft zunehmend,insbesondere die Hochschulen.

Demokratische Lehre stellt hingegen den Anspruch an die Bildung, für die Allgemeinheit von Nutzen zu sein, dieser zur Verfügung zu stehen. Die demokratische Lehre hat also zwei Eigenschaften. Sie ist einerseits eine Lehre unabhängig von marktwirtschaftlichen Maximen, sie dient dem Wohle der Menschen. Andererseits steht der wissenschaftliche Output der gesamten Gesellschaft offen und frei zur Verfügung und nicht nur wenigen Geldgebern und Patentbesitzern.

Die demokratische Universität steht also auf drei Säulen, welche vereinzelt im Wesentlichen wirkungslos sind. Ohne freien Zugang wird die demokratische Mitbestimmung wertlos. Umgekehrt wird ohne die demokratische Lehre die Universität nicht zu einem Ort der Bildung, sondern zu einerm Halbintellektuelle produzierenden Fließband für privatwirtschaftliche Interessen.

Die Einführung der demokratischen Universität wird nicht losgelöst von anderen sozialen Veränderungen passieren können, schließlich ist die Universität keine von der Gesellschaft losgelöste Seifenblase. Darum ist der Kampf für Demokratie auch ein Kampf für demokratische Universitäten und der Kampf für demokratische Universitäten muss auch ein Kampf für Demokratie sein. Dieser Kampf ist nicht alleine zu führen, er ist gemeinsam mit all jenen zu führen, die an einer Umwälzung der Verhältnisse ein objektives Interesse haben. Und dann können wir tatsächlich davon reden, dass das Volk herrscht.