Ein neuer Studienplan, der in Kürze in Kraft tritt, will das Doktorat aufwerten und ihm zu mehr Wissenschaftlichkeit verhelfen. Es darf aber bezweifelt werden, dass der nun erhobene Qualitätsanspruch mehr als ein Etikett ist. Denn vor allem kommt das Doktorat Neu mit einem Beigeschmack von sozialer Selektion daher. Unterm Strich steigen nämlich in erster Linie die Anforderungen an die Studierenden.
Der Bologna-Prozess, auf den auch die dreistufige Studienarchitektur bestehend aus Bachelor, Master und Doktorat zurückgeht, gibt nun auch neue konkrete Richtlinien, wie das Doktoratsstudium in Zukunft auszusehen hat, vor. Bis Herbst diesen Jahres müssen die Studienpläne für das Doktoratsstudium laut Gesetz umgestellt sein. Die Naturwissenschaftliche Fakultät in Salzburg (NaWi) rühmt sich diesbezüglich einer zweifelhaften „Vorreiterrolle“. Im Wintersemester diesen Jahres tritt der neue Studienplan an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät in Kraft, nächstes Jahr stellen die Rechtswissenschaften und die Theologische Fakultät um.
Die Neuerungen
Was zunächst ins Auge fällt, ist dass die Dauer des Doktoratsstudiums nun auf mindestens drei Jahre ausgelegt ist. Insgesamt wird das Doktorat intensiver, und ist mit einem wesentlich größeren Aufwand verbunden. Beim Doktor soll zukünftig die Wissenschaftlichkeit im Vordergrund stehen und damit die Dissertation als wissenschaftliche Arbeit, die jedenfalls zu publizieren ist.
Das neue Doktorat soll auch im Zeichen von mehr Forschungsnähe stehen: So gibt es nun die Anforderung, dass DoktorandInnen möglichst an der Uni angestellt werden und in „Forschungsgruppen“ mit Bezug auf ihre Dissertation wissenschaftlich arbeiten. Weitere Maßnahmen zur Förderung von NachwuchswissenschafterInnen sind angedacht. Der neue Studienplan sieht auch vor, dass weniger Lehrveranstaltungen zu absolvieren, sondern eher Zusatzqualifikationen zu erbringen sind. Angerechnet werden Studienleistungen wie Tagungsmitarbeit oder -teilnahme, Lehrtätigkeiten, Forschungstätigkeiten, Mitarbeit an Forschungsprojekten und die Anstellung als wissenschaftliche MitarbeiterInnen, Publikation von Artikeln in Fachzeitschriften, Auslandsaufenthalte, Graduiertenkollegs etc.
Umsetzung finanziell gefährdet
Das Konzept des neuen Doktorats eröffnet eigentlich viele Möglichkeiten für den akademischen Nachwuchs, die Umsetzung der Idee wird jedoch schwierig werden: Denn für die Neuregelung fehlen die finanziellen Grundvoraussetzungen, als die Finanzierung nicht gesichert ist. Das Dilemma besteht auch darin, dass eben jene Forschungsprojekte, an denen die DoktorandInnen mitarbeiten sollen, zum überwiegenden Teil drittmittel-finanziert sind. Die Organisationen, die außeruniversitäre Forschung und Forschungsförderung betreiben, wie der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), werden finanziell immer knapper gehalten. So fehlen dem Fonds aktuell 70 Mio. Euro in seinem Budget. Dies erhöht wiederum den Druck auf die Universitäten, immer mehr private Drittmittel zu lukrieren, um aufwendige Forschung zu finanzieren. Dies steht jedoch der Freiheit der Forschung entgegen.
Die mangelnde finanzielle Grundlage bezeichnete auch die Unileitung offen als schwerwiegendes Defizit. Selbst dem Rektorat mutet der Modus, indem das Doktorat umgesetzt werden soll, als zu hierarchisch an, wird das Konzept doch top-down auf die einzelnen Universitäten draufgesetzt. Man wird also den Verdacht nicht los, das die Unileitung selbst nicht wirklich an die Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit der Maßnahme glaubt, auch wenn sie die neuen Gesetze sicherlich widerwillig umsetzt.
Verschärfung der sozialen Selektion
Es liegt auf der Hand, dass es Berufstätige in Zukunft noch schwerer haben werden, das Doktorat zu absolvieren. Natürlich spricht vieles dafür, sich mit der Dissertation in ein Thema voll und ganz zu widmen und zu vertiefen. Letztendlich kann es aber nur die Entscheidung des/der Einzelnen sein, wie intensiv man, sei es in Form einer Haupt- oder Nebenbeschäftigung, das Doktoratsstudium betreibt. Verwehrt man diese Entscheidungsfreiheit, so würde dies einen großen Eingriff in die Lebensplanung darstellen.
Außerdem reichen die Kapazitäten offensichtlich für Anstellungen an der Universität bei Weitem nicht aus. So stellt sich auch die Frage, ob Uni-Externe überhaupt noch ein Doktorat absolvieren können, wenn sie dieses anstreben. Das bekommen Studierende schon jetzt zu spüren. Denn gerade in den naturwissenschaftlichen Studienrichtungen sind DoktorandInnen, die nicht direkt an der Universität forschen, nicht erst seit dem neuen Studienplan unerwünscht.
Alles kein Problem
Schenkt man Rudolf Mosler, Vizerektor für Lehre, Glauben, muss man sich einfach etwas mehr anstrengen, wenn man den Mehraufwand des neuen Doktorats bewältigen will und gleichzeitig aber einer Erwerbstätigkeit nachgehen muss. Dies ist laut Mosler ganz einfach, indem man einen Mangel an Zeit mit Engagement ausgleicht, wie er in einem Interview wohlwollend vorschlägt. Warum nicht gleich Amphetamine einwerfen? Der Vizerektor legt den DoktoratsantwärterInnen die vielbemühte Eigenverantwortung nahe, wie es dem neoliberalen Zeitgeist entspricht, denn so Mosler: „Wer wirklich dissertieren will, wird das auch in Zukunft machen.“ Die Studierenden müssen also nur ihren Doktor wirklich, wirklich wollen – reine Einstellungssache sozusagen. Die bildungs- und gesellschaftspolitische Verantwortung liegt also ganz beim einzelnen Studierenden. Nur mit studentischen Lebensrealitäten und ihren sozialen Zusammenhängen hat dies jedenfalls recht wenig zu tun.
Verengung auf universitäre Karriere
Schließlich ist die Neuregelung vor allem hinsichtlich des Nutzens und Gewinns für die hauptsächlich Betroffenen, nämlich für die Studierenden und angehenden DoktorandInnen in den Blick zu nehmen. Nach grundlegenden Verbesserungen sucht man allerdings vergebens, zumal die Chancen, die sich im Doktorat generell sehr wohl bieten würden, mangels finanziellen Mittel kaum realisieren lassen. Die große Gefahr, die über dem neuen Doktoratsstudium schwebt, ist offensichtlich die drohende einseitige Verengung auf eine universitäre Karriere.
Außerdem geht die den Bologna-Richtlinien zu Grunde liegenden Vorstellung von Wissenschaft und wissenschaftlichem Arbeiten an dem, was die Universität an sich ausmacht, vorbei. Denn Wissenschaft und Forschung, die sich an einem rein naturwissenschaftlichen Vorbild orientiert, kann in den Geistes- und Sozialwissenschaften besipielsweise so nicht funktionieren. Es macht einfach nicht in allen Studienrichtungen Sinn, weil diese einer völlig anderen, ihrer eigenen, Logik, Methodik und Arbeitsweise folgen. Deshalb relativiert sich auch die Anforderung einer universitären Anstellung für gewisse Disziplinen.
Wider den Spezialisierungswahn
Ohnehin ist keineswegs plausibel, warum ausgerechnet durch eine rigorose Vereinheitlichung von Studiensystemen, Ziele des europäischen Hochschulraums wie Mobilität und Internationalität erreicht werden können. Mit der Modularisierung der Studien von Bachelor bis Doktor geht ein Zwang zur Spezialisierung einher.
Doch gerade die Breite wissenschaftlicher Lehre und Forschung ist die eigentliche Stärke der Universität in ihrem Grundverständnis (oder war dies zumindest einmal). Dementsprechend sollte sich das Doktoratsstudium nicht auf den Uni-Kontext verengen, sondern weiterhin einen breiten akademischen Zugang und Wahlfreiheit garantieren. Deshalb lautet die grundsätzliche Forderung des KSV: Das Doktorat soll frei zugänglich sein und allen offen stehen, die an der wissenschaftlichen Bildung und Forschung interessiert sind.