Zwischen den systemtragenden Medien Österreichs und dem bewaffneten Repressionsapparat (vulgo Polizei) besteht eine innigere Verbindung, als einem versucht wird, weiszumachen. Das völlig realitätsferne, klassische Rollenbild der Medien stellt diese als „Vierte Macht“ dar, also eine neben Gesetzgebung, Rechtssprechung und Exekutive stehende, autonome Einheit. Diese würde eine kontrollierende Funktion ausüben, also „ungute“ Entwicklungen der anderen Gesellschaftsbereiche – wie etwa Polizisten, die auf eine friedliche Demo einprügeln – aufdecken und öffentlich machen.

In Wirklichkeit sind im Privat- oder Staatsbesitz stehende Medien natürlich Teil des herrschenden Gesellschaftssystems und daher an dessen Fortsetzung interessiert. Das wird immer dann deutlich, wenn es „ans Eingemachte geht“. Dann werfen auch als kritisch geltende Zeitungen schnell ihre erklärten Grundsätze wie Ausgewogenheit und Wahrheitstreue über Bord. So geschehen beim Oktoberstreik 1950, als die wüstesten Lügenmärchen über die Streikenden verbreiteten wurden; vom Putschversuch über Sprengung von Industrieanlagen bis hin zu angeblichen Mordversuchen. Dass die amerikanischen Panzer hingegen in Gefechtsereitschaft gebracht wurden (wohlgemerkt gegen die Streikenden in den VÖEST-Werken) und die Sozialdemokratie paramilitärische Prügelbanden gegen die Protestbewegung einsetzte, wurde ignoriert oder bejubelt.

WEF-Gipfel: Krawallpropheten rechtfertigen Ausnahmezustand

So weit müssen wir aber freilich nicht in der Geschichte zurückblicken. Auch die vergleichbar kleine Demonstration gegen das World Economic Forum (WEF) im Sommer 2011 in der Wiener Hofburg kann als Lehrstück der Achse Staatsmaschinerie-Journaille bezeichnet werden. Das massive Polizeiaufgebot zum „Schutz“ der angereisten SpitzenpolitikerInnen und Wirtschaftsbosse wurde bereits Wochen vor dem Gipfel durch gestreute Gerüchte um angebliche zu befürchtende Ausschreitungen legitimiert.

Insbesondere eine SPÖ-nahe Tageszeitung zögerte keinen Augenblick, die absurdesten Gewalt-Prophezeiungen zu verbreiten, weitere Medien schlossen sich dankbar an. Mit Schlagzeilen wie „Alarmstufe Rot vor dem WEF-Gipfel“ und herbei phantasierten „ausländischen Krawallmachern“ wurden vor allem drei wichtige Ziele der in der Hofburg plauschenden Geldsäcke erfüllt: Viele Menschen, die grundsätzlich für Proteste gegen den Gipfel der Großkonzerne bereit gewesen wären, wurden durch die entsprechende Berichterstattung abgeschreckt. Das Thema WEF an sich wurde in den Medien auf angebliche Gewaltexzesse linksradikaler Schlägertrupps beschränkt – welches Ausmaß der Raubbau der Teilnehmer des Wirtschaftsforums an Menschen und Umwelt hat, wurde völlig ausgeblendet.

Und der völlig unverhältnismäßige und sündteure Polizeieinsatz mit 4.500 Uniformierten (bei etwa 500 Demonstranten) samt bereitgestellten Wasserwerfern und einer großzügigen Bannmeile (zur Sicherstellung, dass kein Gipfelgast mit der Kapitalismuskritik und einem Aufzeigen der Verbrechen der Multis belästigt wurde) wurde als absolut gerechtfertigt dargestellt.

Bestechung und Erpressung

Dass das Vorgehen der Polizei insbesondere in den auflagenstärksten Tageszeitungen meist im besten Licht dargestellt wird, dafür sorgen unter anderem auch fragwürdige Inseratenkampagnen. Das ständige Fließen von Werbemillionen an Krone, Heute, Österreich und Co. wird natürlich auch mit der entsprechenden redaktionellen Gegenleistung belohnt.

Aber auch durch andere Methoden unterbindet die Polizei zumindest in den relevanten Medien kritische Berichte: Sie „steckt“ brisante Informationen nur besonders bullenfreundliche Zeitungen – so erfährt etwa die Kronen Zeitung oft exklusiv im Vorfeld, wann und wo Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit gerade brisanten Prozessen stattfinden. Was dann wie eine tolle journalistische Leistung wirkt, nämlich das Wissen über eigentlich geheime Pläne und Aktionen der Exekutive, ist in Wirklichkeit nur Ausdruck und Folge jahrelanger Schleimerei und Verherrlichung der Polizei.

Andere Medien, die sich zu kritisch etwa über die Fälle Umar Israilov[1] oder Mike B. [2] äußern, bekommen keine Informationen mehr – was die Berichterstattung über viele aktuelle Skandale erheblich erschwert.

Zu guter Letzt nützt der Personalabbau in so gut wie allen Redaktionen während der letzten Jahre dem Repressionsapparat: Für kritische Berichte fehlen schlicht die Ressourcen, unter Termindruck werden gerade einmal die Aussendungen der Polizei umformuliert, Nachfragen bei Betroffenen, ZeugInnen, Rechts- und DatenschutzexpertInnen sind ein „Luxus“, den sich kaum eine Zeitung mehr leisten will. Vor allem, wenn dadurch eine der wichtigsten Informationsquellen und eine der größeren Geldquellen aufs Spiel gesetzt werden.

So kommt es, dass so gut wie alle Polizeiskandale der letzten Jahr ursprünglich eben nicht von den großen Zeitungen oder Rundfunkstationen aufgedeckt wurden, sondern erst andere – Privatpersonen, Vereine, NGOs, InformantInnen – aktiv werden mussten. Dass mit den begrenzten Mitteln derer, die an einer kritischen Beobachtung der Polizeiarbeit in Österreich interessiert sind, nicht alles aufgedeckt und aufgearbeitet werden kann, liegt auf der Hand.

Wer sich vom Blick in die Zeitung einen „objektiven“ Blick auf die Arbeit der Polizei erwartet, liegt genauso falsch, wie jemand, der sich aus dem „Verfassungsschutzbericht“ eine Darstellung der extremen Rechten und ihrer Gefahr erwartet. Wo Interessen übereinstimmen, Geld fließt, Informationsselektion betrieben und Druck ausgeübt wird, geht die Wahrheit flöten. Was bleibt, ist obrigkeitshöriges Geschreibsel.

[1] Tschetschene, der 2009 in Wien auf offener Straße ermordet wurde. Dieser hatte vor der Tat vergeblich um Polizeischutz gebeten – was die damalige Innenministerin Fekter (VP) kurz nach dem Mord allerdings vehement bestritt. Wenig später musste sie kleinlaut zugeben, die Unwahrheit gesagt zu haben.
[2] Schwarzafrikansicher Lehrer an der Vienna International School, der von den Polizei für einen Drogendealer gehalten wurde und deshalb nach dem Aussteigen aus der U-Bahn von zwei Beamten in Zivil verprügelt („unter Anwendung von Körpergewalt festgenommen“) wurde. Für die schweren Verletzungen (Wirbelfraktur, Rippen- und Schädelprellung) wurde nach zweijähriger Verfahrensdauer ein Polizist zu einer Geldstrafe von 2.800 Euro verurteilt.