Von Kuba lernen, auch im Bildungssystem!

von Mag. Michael Wögerer

Kubas Bildungssystem gehört zu den besten der Welt. Laut Bericht des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) liegt die Einschulungsquote und die Alphabetisierungsrate bei 100 Prozent bei beiden Geschlechtern. Zum Vergleich dazu gehen in den USA nur etwa 93 Prozent der Kinder zur Schule, in den geographisch vergleichbaren Ländern Dominikanische Republik ca. 83% und in Haiti sogar nur ca. 20%.

Mit dem 5. Lebensjahr beginnen die kubanischen Kinder nach dem Kindergarten mit der „preescolar“, dem verpflichtenden Vorschuljahr für alle. Anschließend folgen 6 Jahre „primaria“ und 3 Jahre „secondaria“, selbstverständlich als Gesamtschule. Die Schulpflicht beträgt mit der Vorschule zehn Jahre. Zum Vergleich: In Österreich schaffen wir es nicht einmal die (international übliche) Gesamtschule bis zum 14. Lebensjahr.

Nach der „secundaria“ treten ca. 60% aller SchülerInnen in die „preuniversitaria“ ein, die 3 Jahre dauert und mit der Reifeprüfung abschließt, die AbsolventInnen dürfen sich dann „bachillerato/a“ nennen. Statt der „preuniversitaria“ kann auch für 2-4 Jahre eine „escuela tecnológica“ besucht werden, wo Ausbildungen für technische, handwerkliche bzw. landwirtschaftliche Berufe angeboten werden.

Rund 85% aller Schulen werden als Ganztagsschulen geführt, im reichen Österreich reines Wunschdenken. Über 2.000 Landschulen in eher abgelegenen Gebieten werden durch Fotovoltaikanlagen mit Strom versorgt. Die SchülerInnen tragen im Übrigen Schuluniformen, die farblich auf die verschiedenen Schulstufen abgestimmt sind.

Das anschließende Studium ist wie alle anderen Bildungseinrichtungen kostenlos, dies betrifft auch Kost und Quartier. Das Studium schließt mit der „maestría“ bzw. in weiterer Folge mit dem/der „doctor/a en ciencias“ ab. Im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Ländern liegt der Frauenanteil unter den StudentInnen in Kuba am höchsten. Ebenso haben internationale Vergleichsstudien ergeben, dass kubanische StudentInnen in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschften und Sprache besser abschneiden als ihre KollegInnen in Lateinamerika.

Auf Kuba gibt es 68 Universitäten bzw. Fachhochschulen und Hochschulen zur Lehrerausbildung mit 510.000 StudentInnen, davon an die 20.000 aus 110 Entwicklungsländern. Bemerkenswert ist, dass auch für letztere das Studium kostenlos ist. Eine beachtliche Leistung für ein Entwicklungsland mit 11,3 Mio. Einwohnern.

Zum Vergleich: In Österreich waren im Wintersemester 2011/12 insgesamt 219.678 österreichische Studierende an öffentlichen Universitäten immatrikuliert, dazu kommen noch ca. 30.000 StudentInnen an Fachhochschulen, bekanntlich teilweise mit Studiengebühren. Die Bildung hat in Kuba offenbar einen höheren Stellenwert als im reichen Österreich.

Neben den positiven Rahmenbedingungen im kubanischen Schulsystem ist weiters hervorzuheben, dass in diesem sozialistischen Land auch die notwendigen personellen Ressourcen vorhanden sind, um ein gutes Lehrer-Schüler-Verhältnis herzustellen. Während hierzulande Schulklassen mit 30 oder mehr SchülerInnen keine Seltenheit sind, ist dies in Kuba tabu; ausreichend Lehr- und Betreuungspersonal sorgt dafür, dass auch individuelle Unterstützung der Kinder- und Jugendlichen möglich ist.

Auch auf den Universitäten gibt es keine Massenvorlesungen, wo StudentInnen auf den Stiegen sitzen müssen. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass Seminare von maximal 20-30 und Vorlesungen von maximal 50 bis 100 StudentInnen besucht werden.

Nicht zuletzt kommt es auch auf den Inhalt an, ob ein Bildungssystem im Marxschen Sinn dazu erzieht „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“

Kuba lehrt seinen Kindern von Beginn an in Solidarität zueinander zu leben. Ohne Unterschied von Herkunft, Einkommen, Ethnie oder Geschlecht werden die Lernwilligen als Partner auf Augenhöhe betrachtet. Bereits ab der Vorschule herrscht das Prinzip der demokratischen Erziehung, den Kinder werden die Ideen von José Martí[1] näher gebracht, der sich selbst bereits mit jungen Jahren gegen Sklaverei und Unterdrückung durch die spanischen Kolonialherren zur Wehr gesetzt hat. An den Universitäten predigen die Professoren nicht von der Kanzel sondern sind in stetigem, persönlichen Kontakt mit ihren StudentInnen.

Kuba ist darüber hinaus auch eines der wenigen Länder, in denen man die Erkenntnisse des Marxismus-Leninismus noch auf den Unis studieren kann. Durch die Auseinandersetzungen mit Marx, Engels, Lenin und Co. entstehen fruchtbare Diskussionen, die für den weiteren Aufbau des Sozialismus in Kuba ein festes und solides Fundament schaffen.

Zum Schluss: Die wirtschaftliche, politische und kulturelle Blockade der USA, die auch von der Obama-Administration nicht gemildert, geschweige denn aufgehoben wurde, hat natürlich auch negative Auswirkungen in allen Bildungsbereichen. Trotz der großen Bemühungen der kubanischen Regierung, eine erstklassige Ausbildung für die ganze Bevölkerung zu gewährleisten, kommen die Auswirkungen der Blockade in alltäglichen Mängeln, die den Lern- und Forschungsprozess sowie die wissenschaftliche Arbeit allgemein beeinträchtigen, zum Ausdruck. So haben die kubanischen LehrerInnen und ProfessorInnen zum Beispiel keinen Zugang zur aktuellen Literatur von Forschungs- und Bildungszentren in den USA, da die Verlage dieses Landes und deren internationale Niederlassungen den Verkauf verweigern.

Aus diesem Grund: Weg mit der verbrecherischen US-Blockade! VIVA CUBA!

Mag. Michael Wögerer (31) ist Vorsitzender der Österreichisch-Kubanischen Gesellschaft, 2007 absolvierte er ein Auslandssemester an der Universität von Havanna und studierte dort Geschichte und Philosophie



[1] Kubanischer Poet, Schriftsteller und  Nationalheld sowie Symbol für den Unabhängigkeitskampf des Landes, 1853 – 1895