Beim Betrachten der bildungspolitischen Ideen der Bundesregierung liegt die Frage nach dem Geisteszustand ihrer Entwicklerinnen und Entwickler oftmals nahe. Aber auch wenn sich der geistige Horizont von so manchem Regierungsmitglied wohl kaum über den eigenen Schrebergarten hinausbewegt, ist die Umsetzung einer immer rigider der Kapitalreproduktion unterworfenen (Aus-) Bildungspolitik kein Zufall und sicher nicht – wie oft behauptet wird – der Dummheit ihrer ProponentInnen geschuldet.
Sozialer Numerus Clausus
Studiengebühren, deren Androhung und Umsetzung, Studieneingangs- bzw. orientierungsphase als versteckte Zugangsbeschränkungen, Kürzungen bei Familienbeihilfe, studentischer Selbstversicherung und Wohnbeihilfe für Studierendenheime, allgemeine Prekarisierung der Lebensverhältnisse – die soziale Lage der Studierenden verschlechtert sich zusehends. Und nicht nur in Fragen des Einkommens, der Wohn- und Arbeitssituation ist ein negativer Wandel festzustellen. Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle der vermehrte Zwang zur Lohnarbeit neben dem Studium und die Zunahme der studienfremden Tätigkeiten bei dieser bzw. die Beschaffenheit dieser Arbeitsverhältnisse. Kein Wunder also, dass die Entwicklung der sozialen Zusammensetzung der Studierenden ein Bild zeichnet, dass die soziale Ungleichheit immer deutlicher zutage treten lässt. An den Universitäten sank der Anteil der Kinder aus einer niedrigen sozialen Schicht zwischen 1998 und 2009 von 26 auf 18 Prozent. Verschärft stellt sich die Situation in Abschlüssen jenseits von Bachelor dar.
Die Sache mit dem Profit
Dass der österreichische Staat gerne für angeschlagene Banken und Konzerne in die Bresche springt, wenn Feuer am Dach und Sand im Getriebe der Profitmaschinerie sind, sahen wir am Beginn der momentanen Krise durch Milliardenhilfen für marode Unternehmen und beim darauf folgenden Spardiktat, dessen Umfang noch immer nicht zur Gänze abzuschätzen ist. Daneben findet jedoch eine Entwicklung statt, die in ihrer Gesamtheit selten behandelt wird, uns aber mit voller Wucht trifft.
Verbunden mit der wirtschaftlichen Krise wird die „westliche“ Dominanz gerade im Hochschulsektor permanent herausgefordert und der Zuwachs von AbsolventInnen in MINT-Fächern (Mathematik- Informatik-Naturwissenschaft-Technik) in „Schwellenländern“ wie China, Indien oder Brasilien lässt die Köpfe in den think tanks rauchen. Die Angst vor dem Bedeutungs- und Profitverlust ist immens. In diesen Fächern findet sich die dichteste Verknüpfung von universitärer Lehre und Forschung mit Produktivitätssteigerung, Aufrüstung und Innovation. Dies sind – ganz kurz umrissen – die zentralen Funktionen von Universitäten im Kapitalismus und daraus speist sich ihr wichtiger Charakter für das herrschende System. Unter die Räder dieses Prozesses, der unter dem Schlagwort Bologna durchgeboxt wird, kommen selbstverständlich „freie“ Bildung, kritische Wissenschaft und Lehre.
Der Pudel und der Kern
Der gesamte Umbau des Hochschulwesens mit der Schnitzeljagd nach ECTS-Punkten, die Unterwerfung von Lehrplänen unter das Diktat der Privatwirtschaft und der billigen Massenausbildung Bachelor in Verbindung mit dem Master für die Privilegierten dient einzig und allein dazu die Vorherrschaft EUropas aufrecht zu erhalten und das Schrumpfen „westlichen“ Einflusses zu verhindern.
Gerade sich links gebende StudierendenvertreterInnen, die die österreichische Bildungspolitik dahingehend kritisieren, dass sie „dumm“ und „kurzsichtig“ wäre, verharren in einer im Grunde genommen dummen und kurzsichtigen Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen. Wenn der einzige Anhaltspunkt leere Phrasen von der Planlosigkeit der Regierung sind, haben die Apologeten der „westlichen“ Vorherrschaft in diesen VertreterInnen ihren optimalen, weil ungefährlichen, Gegenpart gefunden. Die Offensive gegen die Studierenden macht nämlich sehrwohl Sinn und im Hintergrund steht eine umfassende Offensive der Herrschenden. Kritik an den bildungspolitischen Agenden Österreichs muss hier ansetzen oder sie erfasst den Kern der Sache nicht und verliert sich in Einzelkämpfen und damit die Perspektive auf Veränderung.
Oder simpler gesagt: It’s the economy, stupid!