rotcrowd sprach mit Sahar Mohsenzada und Jakob Matscheko über die neue Koalition der Grazer ÖH, die Umsetzung der Urabstimmung für bessere Studienbedingungen und drohende Katastrophen durch die Novelle des Universitätsgesetztes.

Ende des letzten Semesters haben die ÖH-Wahlen stattgefunden. Wie schätzt ihr das Wahlergebnis ein?

Sahar Mohsenzada: Der KSV hat in Graz das beste Ergebnis seiner Geschichte eingefahren, was angesichts der Kandidatur diverser Kleinstfraktionen wirklich erstaunlich ist. Trotz der massenhaften Scheininskriptionen sind sechs KommunistInnen StudienvertreterInnen geworden.
Jakob Matscheko: Ein großer Erfolg ist auch, dass ein Einzug des rechtsextremen Rings Freiheitlicher Studenten (RFS) verhindert werden konnte.

Seit Juli besteht die sogenannte Kenia-Koalition aus grünen, sozialistischen und ÖVP-nahen Studierenden-Fraktionen an der Grazer ÖH. Wie steht ihr dazu?

Jakob: Es ist eine Koalition der Wahlverliererinnen, und wenn die Grünen meinen, es wäre „offiziell“ keine Koalition mit der Aktionsgemeinschaft sondern lediglich eine „Unterstützung“ durch die AG, so sieht ein Blinder, dass dem nicht so ist. So hat die AG das enorm wichtige Finanzreferat zugesprochen bekommen, was sich als Stolperstein für die angeblich „linke“ Politik erweisen wird, denn jede Ausgabe, die 300 Euro übersteigt muss vom schwarzen Finanzer genehmigt werden.
Sahar: Dazu kommt, dass in freunderlwirtschaftlicher Manier fast in jedem Referat Leute aus allen drei beteiligten Fraktionen sitzen. Unabhängige Studierende, die früher engagiert und kompetent gearbeitet haben, sind von Leuten ersetzt worden, deren einzige Qualifikation die Fraktionszugehörigkeit ist.

Was bedeutet das für die Arbeit der ÖH?

Sahar: Auch wenn einzelne natürlich gut arbeiten, so legen sich die einzelnen Fraktionen gegenseitig Steine in den Weg, weil die fraktionelle Profilierungssucht bei vielen überwiegt.
Jakob: Auch werden die Finanzen der ÖH strapaziert. 4.800 Euro mehr kostet die proporzmäßige Vergabe von SachbearbeiterInnenposten jährlich. Hier wurden Amterl geschaffen, die es niemals zuvor gegeben hat und die einzig und allein dem Postenschacher dienen. Deshalb wird der KSV in der nächsten Sitzung der Universitätsvertretung den Antrag stellen, dass allen, die keinen Rechenschaftsbereicht vorlegen können, die Aufwandsentschädigung gestrichen wird.

Wie schätzt ihr die Arbeit, die die neue Grazer ÖH-Exekutive bislang geleistet hat, ein?

Sahar: Auch wenn die Organisation der diesjährigen Erstsemestrigenberatung besser verlaufen ist, als bei grüner Beteiligung zuvor, hat es doch Mängel gegeben. Die BeraterInnen der einzelnen Studienrichtungen waren gut und kompetent, der Informationsfluss hat jedoch zu wünschen übrig gelassen. Nicht einmal die stark nachgefragten ÖH-Taschenkalender haben die 300 Meter vom ÖH-Gebäude ins Beratungszelt geschafft.
Jakob: Dass sich die grün-schwarz-rosaroten JungpolitikerInnen in bester Funktionärsmanier iPhones und BlackBerry Smartphones zugelegt haben und derweil selbst die eigene Grazer ÖH-Homepage nichts über geleistete Arbeit zu berichten weiß, spricht für sich.

Auf Initiative des KSV hat im Zuge der ÖH-Wahlen ja auch eine Urabstimmung für bessere Studienbedingungen stattgefunden. Wie geht es damit jetzt weiter?

Sahar: Mehr als 90 Prozent der WählerInnen haben sich dafür ausgesprochen, Labor- und Seminarplätzen den Vorzug gegenüber Prestigeprojekten wie der „siebenten Fakultät“ oder dem „Tag der Geisteswissenschaften“ zu geben. Dafür dass sich die ÖH nicht an derlei Geldverschwendungsaktionen beteiligt, wird der KSV Sorge tragen.
Jakob: Wir werden darauf drängen, dass die ÖH rechtliche Schritte gegen die Uni einleitet, wenn diese ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommt, ausreichend Studienplätze zu Verfügung zu stellen, damit es keine Verzögerungen im Studium gibt.

Noch vor der Sommerpause wurde eine Novelle des Universitätsgesetzes von Minister Hahn im Parlament durchgepeitscht. Was sind eure größten Kritikpunkte daran?

Jakob: Die größte Gefahr besteht in weiteren Zugangsbeschränkungen. Sowohl Hahn als auch die Rektorenkonferenz machen ja keinen Hehl daraus, dass sie beschränkten Zugang zu Master- bzw. Doktoratsstudien als wünschenswert erachten.
Sahar: Die neue Grazer ÖH-Führung hat es nicht geschafft, Proteste gegen die UG-Novelle auf die Beine zu stellen, ja sie hat es nicht einmal für wert befunden, eine Aussendung zu schreiben, die die Studierenden informiert hätte. Wenn so die „kämpferische Politik“ ausschaut, die sie ausgerufen hat, wird es schwierig dieser Entwicklung etwas entgegen zu setzen.
Jakob: Weil die Institute vermutlich nacheinander den Zugang beschränken werden, ist es wichtig, dass sich eine breite Protestbewegung etabliert. Ob das GRAS und VSStÖ, die so gut wie keine Verankerung in den einzelnen Studienrichtungen haben, auch bewerkstelligen können – und ob die AG dazu überhaupt ihren Segen gibt –, ist leider fraglich. Nicht nur die ÖH, sondern alle Universitätsangehörigen müssen an einem Strang ziehen. Dafür wird sich der KSV stark machen.

Sahar Mohsenzada, 24, ist Studienvertreterin für Kunstgeschichte und stellvertretende Vorsitzende des KSV Graz
Jakob Matscheko, 23, ist Vorsitzender des Grazer KSV, Mandatar in der Universitätsvertretung und studiert Geschichte.