Das vierte Kicken gegen rechts bietet Anlass genug, einen Blick in die Geschichte des Grazer Fußballs zu werfen. Den meisten sind heute nur mehr GAK und Sturm ein Begriff, wenn es um den Grazer Fußball geht. Dabei zeichnete sich das „Ballett der Arbeiterklasse“ nicht nur durch große Vielfalt, sondern auch durch einige Erfolge aus. Ein Überblick.
Das Fußball-Interesse konzentrierte sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auf Wien. Doch auch in der steirischen Landeshauptstadt blühte jener Sport auf, den ein Student schon 1893 aus Prag in seine Heimatstadt Graz mitgebracht hatte.
Bereits 1919 gründete sich der Arbeiter-Sportverein Gösting und kann so als drittältester Grazer Fußballverein gesehen werden, auch wenn Gösting erst 1938 ein Teil von Graz wurde. Die Arbeiter der dortigen Glasfabrik und deren Kinder scheuten in den schweren und entbehrungsreichen Tagen nach Kriegsende keine Mühen, den Fußballsport zu etablieren.
Als im Sommer des Jahres 1920 die erste Grazer Meisterschaft stattfinden sollte, beteiligten sich – neben GAK, Sturm und dem ASV Gösting – auch Rapid Graz, die Grazer SV, und die Grazer Amateure. 1921 wurden, nach dem Eggenberger SK, von den Bediensteten der Post der Post SV und von den Eisenbahnern der SC Südbahn gegründet. Der Grazer Sportclub Straßenbahn folgte 1923. Wie die Schwammerl schossen die Mannschaften in der Folge aus dem Boden. Mit Red Star Graz, dem SC Wacker Graz oder der Werkself des ASV Puch und anderen prägten die proletarischen Mannschaften den Grazer Fußball. Aber auch die jüdische Hakoah Graz oder die deutschnationale Germania Graz mischten mit. 1938 waren es die Straßenbahner, die – nach einem 1:0 gegen Sturm – als erste steirische Mannschaft in die höchsten Spielklasse Österreichs aufstiegen.
Mit dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland änderten sich die Bedingungen schlagartig. Das freie und demokratische Vereinswesen stand dem Allmachtsanspruch des Faschismus entgegen und war ihm ein Dorn im Auge. Rasch wurde deshalb in den Vereinen das Führerprinzip durchgesetzt, die Jugendarbeit der Hitlerjugend unterstellt und das Fußballtraining als HJ-Dienst angerechnet. Sogenannte „Dietwarte“ sollten für die ideologische Gleichschaltung sorgen und „Rassebewusstsein“ und „völkischen Gemeinschaftssinn“ verankern. Die Vereine arrangierten sich.
Nach der Befreiung vom deutschen Faschismus brauchte es große Anstrengungen, nicht nur um den Wiederaufbau in Angriff zu nehmen, sondern auch um den Fußball wieder in die Gänge zu bringen. Der Klub der Eisenbahner benannte sich in ESV Austria Graz um. Justizbeamte gründeten den SV Justiz, und bei der Maschinenfabrik Andritz bildete sich schon bald eine Werksmannschaft – der SV Andritz –, die den Spielbetrieb bereicherten.
Auch wenn heute manch geschichtsträchtiger Grazer Klub verschwunden oder mit anderen fusioniert wurde, kann sich das vielfältige Fußballunterhaus der steirischen Landeshauptstadt sehen lassen. Einziger Wermutstropfen: Selbst bis in die untersten Spielklassen ist der moderne Fußball in all seiner Grässlichkeit eingedrungen. Schnitzelwirtshäuser und Wettbüroketten verunstalten so machen ruhm- und traditionsreichen Vereinsnamen.