Ruhig ist es an den österreichischen Universitäten – zu ruhig. Fast vier Jahre hatten jegliche Protestmaßnahmen der Studierenden lediglich den Charakter unmittelbarer Abwehrkämpfe gegen drohende Verschlechterungen, kurz vor deren Umsetzung bzw. Beschluss, und auch vor #unibrennt herrschte lange Zeit eine ähnliche Situation. Verwegen klingt es heute, unabhängig von solchen Anlässen die Organisierung von Protesten zu fordern. Dabei wären der Zustand an den österreichischen Universitäten sowie die soziale Selektion im Bildungswesen sehr wohl Anlass genug. Nichts spricht dagegen, sondern alles dafür, sukzessive zu versuchen, dem Ministerium die Initiative zu entreißen, welche sie derzeit unangefochten innehat. Wer das für ferne Zukunftsmusik hält, sei daran erinnert, dass man auch den längsten Weg mit dem ersten Schritt beginnen muss.
Angriff ist die beste Verteidigung
Nach Abflauen der #unibrennt-Bewegung wurden die Studierenden mit regelmäßigen heftigen Attacken in die Ecke gedrängt. Der Senkung der Anspruchsdauer für Familienbeihilfe, dem Intermezzo der autonomen Studiengebühren, der STEOP oder den Laxenburger Beschlüssen konnte dort nur äußerst halbherzig etwas entgegengesetzt werden. Dies ist auch der ÖH anzulasten, die Protestmaßnahmen nur als letzten Ausweg versteht, wenn Verhandlungen scheitern. Ohne massivem Druck von unten kann die ÖH aber noch so gut verhandeln, sie wird kaum Grundsätzliches für die Studierenden erreichen. Die Prioritätensetzung muss daher umgekehrt werden, was Bedingung der Möglichkeit ist, auf Perspektive die Regierung unter Zugzwang zu setzen und tatsächliche Verbesserungen zu erkämpfen.
Nicht nur für die Studierenden politisch wirksam sein, sondern gemeinsam mit ihnen, diese Haltung müssen wir einnehmen. Es ist ein schlechter Vorwand, wenn man sich stets nur darauf hinausredet, dass die Studierenden ja eh nicht auf die Straße gehen wollen, und es ist Eingeständnis der eigenen Schwäche und Unfähigkeit. Denn es wäre doch ureigenste Aufgabe der Gewerkschaft, der ÖH und der politischen Linken, den Widerstand gegen das kapitalistische System und seine Auswirkungen auf das Bildungssystem (aber freilich nicht nur diese) zu organisieren und die Studierenden (aber freilich nicht nur diese) zu mobilisieren.
Wir lernen im Vorwärtsgehen
Die ÖH und die Gewerkschaft genießen respektables Ansehen, um breite Bündnisse zu schmieden, die notwendigen Proteste loszutreten und maßgeblich mitzuorganisieren. Bedauerlicherweise fehlte bisher beiden der Wille, diese Möglichkeiten zu nutzen. Wer allerdings nicht ernsthaft mobilisieren will, kann es auch nicht – und wird es nie lernen.
Wir müssen aus der derzeitigen, durch die massiven Angriffe auf die Universitäten verursachten Schockstarre ausbrechen. Es reicht nicht, abzuwarten, bis der nächste Anschlag auf das Bildungssystem gestartet wird, um dann im letzten oder vorletzten Moment noch eine Demo zu organisieren (was zum Teil getan wird, um selbst einigermaßen das Gesicht zu wahren). Sondern es gilt, auch für positive Forderungen, etwa der längst überfälligen Erhöhung der Studienbeihilfen, zu mobilisieren und auf die Straße zu gehen. Dies würde nichts anderes bedeuten als aus der reinen Defensive wieder einmal offensiv herauszutreten. Und genau das ist notwendig.
Initiative ergreifen
Zu diesem Zweck gilt: Wir alle müssen die Initiative ergreifen! Wir Studierenden insgesamt, indem wir uns nicht mehr vom Wissenschaftsministerium vor sich her treiben lassen, sondern einen solidarischen, demokratischen Gegenentwurf von Bildungspolitik entwickeln, propagieren und seine Umsetzung öffentlichkeitswirksam einfordern. ÖH und Gewerkschaft, indem sie sich bewusst entscheiden, ihre genannten Möglichkeiten zu nutzen und fortan eine aktive Rolle einzunehmen. Die studentische Basis sowie kleinere politische Organisationen, indem sie Proteste zuweilen einfordern, zuweilen auf Inaktivität von ÖH und Gewerkschaft dadurch reagieren, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst Aktionen auf die Beine stellen.
Es bleibt uns letztlich gar nichts anderes übrig, als so gut wie möglich in diese Richtung zu wirken. ÖH und Gewerkschaft etwa könnten, wenn sie wollen, in diesem Herbst Demonstrationen für eine Erhöhung der Studienbeihilfen initiieren. Wie viele Menschen sich für einen ersten etwas größeren Studierendenprotest seit langem, der nicht bloß unmittelbarer Abwehrkampf wäre, tatsächlich mobilisieren ließen, würde sich zeigen. Einen ernsthaften Versuch wäre es jedenfalls wert. Wird hingegen weiter abgewartet, so stellt sich die Frage: Worauf eigentlich?
Dass sich im September auch das Bundesjugendforum der Gewerkschaft GPA-djp genau solche Demonstrationen zum Ziel gesetzt hat, ist ein recht erfreuliches positives Signal.