Seit ihrem Einzug in das Berliner Abgeordnetenhaus sind sie in aller Munde. Die Rede ist natürlich von der Piratenpartei. Dieser moderne, hippe und als neue Protestpartei dargestellte Verein hat aber durchaus seine Schattenseiten, die von mangelnder Positionierung bis zu Kuscheleien mit dem rechten Rand reichen.

Von Walter Weiss

Viel konnte die Berliner Landespartei bei einem Pressefrühstück im heurigen April noch nicht vorweisen, außer eine Anpreisung des Internetdiensts Twitter. Was man für Schulformen anstrebe, würde noch diskutiert werden, hieß es später auf besagtem Frühstücksmeeting. Zum Thema Mieten und der Verdrängung sozial schlechter gestellten Schichten aus der Berliner Innenstadt hatte man dann aber, außer der Anmerkung, dass man bald versuchen werde, sich zu positionieren, doch noch etwas zu sagen. Nämlich, dass staatlich festgelegte Mietobergrenzen „ein extrem schwieriges Thema für eine Partei, die die Freiheitsrechte in den Mittelpunkt stellt“ seien. Gut, das war immerhin noch vor dem großen Erfolg, vielleicht sieht es ja inzwischen anders aus, könnte man denken.

Krise, Krieg und Co. – Schweigen im Walde.

Dass dem aber nicht so ist, zeigte eine Bundespressekonferenz der Piratenpartei am 5. Oktober in Berlin. Auf Fragen zu Themen wie der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise und dem deutschen Kriegseinsatz in Afghanistan kam nur die Antwort, es gebe „überhaupt keinen Grund für eine Partei, zu allen Themen etwas zu sagen“. Allerdings wurde auch darauf verwiesen, dass es zu den nächsten Bundestagswahlen möglicherweise ein umfangreicheres Programm geben werde. Selbst zu Bereichen wie Daten- und Urheberschutz konnte man kein Papier vorlegen, was insofern absurd ist, da dies eines der Hauptthemen der Piraten ist. Hier müsse man erst „runde Tische“ einrichten, war die Auskunft dazu.

Die Piratenpartei will sich aus ihrem Selbstbild heraus auch nicht links oder rechts im Politspektrum einordnen, sie bezeichnet sich lieber als „sozialliberale Grundrechtspartei“. Was dabei herauskommt wenn man sozial und liberal mischt, ist am besten an der SPÖ und den Grünen zu sehen.

Auf das Erwähnen von Piratinnen kann im Übrigen auch verzichtet werden. Ihre ausschließlich männliche Eigenbezeichung korreliert mit dem Faktum, dass es sich bei der Gruppierung fast ausschließlich um Männer handelt. Im Berliner Abgeordnetenhaus sitzen von der Piratenpartei 14 Männer und eine Frau.

Neonazismus als „freie Meinungsäußerung“

Doch das alles ist harmlos, wenn man sieht, wie die Partei mit der politischen Vergangenheit ihrer Mitglieder und vor allem der ihrer Funktionäre umgeht.

Im September wurde bekannt, dass der Landesverband Rheinland-Pfalz einen Funktionär, gegen den seit 2009 ein Ausschlussverfahren wegen rechter Äußerungen im Internet am Laufen ist, auf ein großes Piratentreffen nach Nürnberg schicken wollte. Wolfgang Dudda, Parteimitglied und Ex-Bundes-vorstandsangehöriger, meinte dazu, „dass es bei den Piraten Meinungsfreiheitsfanatiker gibt, die glauben, dass auch ein Nazi seine Meinung frei sagen können muss.“ Gleichzeitig habe die Partei aber, so Dudda, „die Verfassung und die Grundrechte eigentlich fest im Parteiprogramm verankert.“

Aufsehen erregte auch eine Aussage von Parteichef Sebastian Nerz, der anscheinend kein Problem mit Neonazis in den eigenen Reihen hat. So ist die ehemalige NPD-Mitgliedschaft einiger Mitglieder für ihn nur eine „Jugendsünde“. Anders sieht das allerdings sein Vize Bernd Schlömer, der meint, dass kein Platz für ehemalige NPD-Mitglieder unter den Freibeutern wäre. „Wir sind kein Sammelbecken für verfassungsfeindliche Meinungen. Wir müssen da sehr sensibel sein“, wird er in der deutschen taz zitiert.

Nicht Fisch, nicht Fleisch

Also kurz zusammengefasst: Die Piraten werden überall als Protestpartei gesehen. Proteststimmen sind meistens gegen die etablierten Parteien gerichtet. Das ist die Piratenpartei aber im Grunde auch. Denn wer die deutsche Verfassung in seinem (sehr lückenhaften) Parteiprogramm verankert, muss doch geradezu geil auf die derzeit herrschende kapitalistische Gesellschaftsordnung sein. Links sind die Piraten also auf keinen Fall. Im Gegenteil, sie stehen (zumindest was die Verfassungstreue betrifft) mehr in der Mitte als die Linkspartei und sogar diese tut sich (vor allem in der ehemaligen DDR) mit dem Links-Sein schwer und das, obwohl sie im deutschen Verfassungsschutzbericht als „linksextreme“ Organisation geführt wird.

Und in Österreich? – handlungsunfähig, unpositioniert und zerstritten

Hier wurde die Piratenpartei in einem Standard-Artikel im Mai, der sich auf einen Blogeintrag eines ehemaligen Parteimitglieds beruft, für handlungsunfähig erklärt.

Diese Aussage rührt daher, dass ehemalige Partei- und Vorstandsmitglieder technische Account-Zugangsdaten für die Netzpräsenzen der österreichischen Piraten nicht an den derzeitigen Vorstand übergeben. Die Ex-Piraten berufen sich darauf, dass diese Daten satzungsgemäß übergeben werden müssen. Hierzu ist jedoch eine Bundesgeneralversammlung notwendig, die nur einberufen werden kann, wenn jedes Parteimitglied darüber informiert wird. Auf die Mitgliedsdaten haben aber auch nur jene Zugriff, die die Einberufung der Bundesgeneralversammlung fordern. Angeblich sind auch Teile der Mitgliedsdaten eines aktuellen Vorstandsmitglieds im Blog eines dieser Ex-Parteimitglieder zu finden. Weiters wurden angeblich während der Amtszeit der Altvorstände wichtige E-Mails mit sensiblen Daten unterschlagen. Soviel also zum geforderten Schutz der Anonymität.

Gut. Sollen diese internen Streitereien den Piraten selbst überlassen bleiben. Die potentiellen WählerInnen interessiert doch eher ein Blick ins Parteiprogramm. Hoppla, das ist ja gar nicht möglich. Will man auf der Homepage der Piraten darauf zugreifen, sieht man nur einen Verweis, dass das Parteiprogramm gerade überarbeitet wird. (Stand: 21.10.11) Zwar ist der Aufruf der Satzung und der Geschäftsordnung möglich. Dass man aus diesen aber kaum schlau wird, ist irgendwie einleuchtend.

Somit scheinen die österreichischen Piraten noch unpositionierter und noch zerstrittener als ihr deutsches Pendant. Auch ein Standard-Interview mit der Geschäftsführerin, gibt nicht wirklich Aufschluss über diese Gruppierung. Ob es einen Aufschwung à la Berlin geben wird, kann noch nicht gesagt werden. Angesichts der derzeitigen gesellschaftlichen Lage wäre man aber ohne eine neue Partei, die eigentlich eh nur ist wie die anderen besser dran.

| aus ROTCROWD #18, Wintersemester 2011