Wenn es darum geht, andere Länder wegen ihrer Pressefreiheit anzubelangen, dann sind österreichische Medien wahrscheinlich weltweit die ersten und strotzen dabei nicht wenig in ihrem Besserwissertum. Dass jedoch rund 100km südlich landesweite Proteste für ein „kostenloses“ Hochschulwesen und gegen die neoliberale Marktlogik stattfinden, weiß bei uns keiner.

Von Goran Lovric (derzeitger KSV-Korrespondet in Zagreb)

Aber wie hat alles begonnen und wieso und was passiert eigentlich?

Anlass war die „internationale Woche gegen Kommerzialisierung des Bildungswesens“ (von der ich selber noch nie etwas gehört habe) in der man auf die fürchterliche Situation im kroatischen Hochschulwesen hinweisen wollte. Eine Ad-Hoc-Organisation unter Student(inn)en der „Philosophischen Fakultät“ in Zagreb (was in Österreich einer Geisteswissenschaftlichen Fakultät gleichkäme) hatte beschlossen, am Montag, den 20.04.2009, um 12:00h eine Blockade auf der Universität zu machen mit der unter anderem die Abschaffung der Studiengebühren gefordert werden sollte.  Was folgte war ein mehrtägiges massives Medienecho, das dazu führte dass sich nach der Reihe andere Universitäten (Rijeka, Split, Zadar, Osjek, Pula) den Protesten anschlossen und seitens der Studenten unter dem Motto „Kein Verhandeln/kein Aufgeben“ stets beteuert wird, die Proteste werden weitergeführt.

„Meine Generation hat sich kostenlos gebildet, warum sollte es nicht auch diese Generation?!“ (Stipe Mesic, Kroatiens Präsident)

Organisatorisch gesehen wurden die Proteste von der ersten Stunde an nicht nur breit im Internet (via facebook, blogs u.a.) angekündigt, kommentiert und koordiniert, sondern zeigen vor Ort ebenso eine klare Organisation und Struktur mit eindeutigen Forderungen. So wird auf dem Unigelände und in Uni-Räumlichkeiten kollektiv gekocht, Workshops veranstaltet und viele Student(inn)en verbringen bereits Tage auf der Uni, indem sie Eingänge etc. blockieren. Mittlerweile erhalten sie in ihren Protesten nicht nur Unterstützung von Rektor(inn)en und Professor(inn)en, auch der Präsident Kroatiens hat sich in einem Interview dazu geäußert, in dem er gemeint hatte,  dass die Studenten jedes Recht hätten, eine freie und kostenlose Bildung zu fordern.

Wer steckt hinter der Organisation?

Interessant ist jedoch, dass es hinter der ganzen Sache keinen Leader bzw. keine führende Organisation gibt. Die selbsternannte „Unabhängige studentische Initiative“, unter welchem Namen sie im Internet auf Blogs und Pressemitteilungen zu finden ist, ist in der Tat eher als eine Massenbewegung als eine politische Organisation zu sehen. So kam es, dass sich andere politische Organisationen auf den Universitäten der „Initiative“ anschlossen und sich in die Organisation als „einfache“ Mitglieder mit dem gleichen Stimmrecht wie alle anderen fügten, „im Geiste der direkten Mitbestimmung“, wie sie sagen.

„Eine Welt, ein Kampf! Die Bildung ist keine Ware!“ (einer der Slogans)

Beachtenswert ist zudem, dass sich die gesamten Proteste nicht ausschließlich gegen die Studiengebühren sondern auch gegen die kapitalistische Marktlogik richten. So wird in den eigenen FAQ Folgendes berichtet:  „Die jetzige Wirtschaftskrise ist eine direkte Folge der weltweiten Wirtschaftspolitik. Die Börsen sind wegen der neoliberalen kapitalistischen Doktrin zusammengekracht, die die Untastbarkeit der privaten Wirtschaft propagiert, dessen einziges Ziel die Profitmaximierung ist. Der Profit andererseits ist aber kein Synonym für einen Fortschritt, der Fortschritt unserer Gesellschaft hängt nämlich von anderen Faktoren – in erster Linie jedoch davon wie dieser Profit unter den Menschen aufgeteilt wird – ab. Im neoliberalen System (und lasst euch vom Namen nicht täuschen, dieses System hat nichts mit Bürgerrechten etc. zu tun) werden die Interessen des Großkapitals präferiert […]“.
Daher ist es vollkommen klar, dass die Student(inn)en gerade in der heutigen Zeit der weltweiten Wirtschaftskrise derartige Forderungen an den Tag bringen.

Bildungsminister gesucht

Dass sich die Proteste auch zwangsläufig gegen die kroatische konservative Regierung Ivo Sanaders richten ist aus den geschilderten Tatsachen ebenso klar wie der Umstand, dass es bisher im Grunde keine ernstzunehmende Stellungnahme von Regierungsmitgliedern gegeben hat. Lediglich Kroatiens Bildungsminister (Dragan Primorac) meinte in einem Interview abwertend: „Wenn die Universitäten die Studierenden unterstützen, sollen sie ihnen doch selbst die Studiengebühren zurückzahlen.“ Aber auch diese „profunde“ Aussage kostete ihn ganze vier Tage an Bedenkzeit, bevor er sich das erste Mal öffentlich zu Wort meldete.
Wie weit es mit den Protesten noch weiter gehen wird bleibt abzuwarten, jedenfalls steht die Entschlossenheit seitens der Student(inn)en fest.

Am 1. Mai ist ein gemeinsamer Aufmarsch mit der Gewerkschaft am Markov Trg (vor Kroatiens Regierungssitz) geplant.

zagreb

zagreb2

zagreb3

zagreb4

zagreb6

zagreb7

zagreb5