von JAKOB MATSCHEKO
Jahrelang waren Stiefelnazis aus dem Grazer Stadtbild fast verschwunden. Ende Jänner betraten sieben Neonazis eine Geburtstagsfeier in der Pizzeria Zeppelin in der Grazer Heinrichstraße. Allen Stereotypen was Dresscodes und Haarschnitt betrifft entsprechend, betraten sie gegen 23 Uhr das Lokal und begannen Zeugenangaben zufolge damit, andere Gäste mit Kugelschreibern und Bierdeckeln zu bewerfen. Es folgten „Heil HC“- und „Heil Hitler“-Rufe, und auch das Horst-Wessel-Lied wurde angestimmt. Als das Geburtstagskind vermitteln wollte, fand er sich in Sekundenschnelle auf dem Boden, wo vier Nazi-Skins auf ihn einprügelten.
Vier der Täter versuchten zu flüchten, als kurze Zeit später die Polizei eintraf, konnten aber später identifiziert werden. Gegen alle sieben wird wegen schwerer Körperverletzung und NS-Wiederbetätigung ermittelt.

Keine Unbekannten

Unter den Tatverdächtigen – für sie gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung – befanden sich (amts-)bekannte Rechtsextreme und führende Funktionäre der FP-Vorfeldorganisation „Ring freiheitlicher Jugend“ (RFJ). Stefan Taschner, nach Zeugenangaben Anführer der prügelnden Horde, marschierte 2008 auf einer von Kronenzeitung initiierten Demo unter dem Banner „Freiheit für Gerd Honsik¹“ und bewegt sich auch im Umfeld der neonazistischen Organisation „Bund freier Jugend“ (BfJ) und des österreichischen Neonazi-Promis Gottfried Küssel².
Unter den Angreifern war auch Stefan Juritz, RFJ-Mann in Deutschlandsberg. Er forderte übrigens 2007 in einer die Aufhebung des NS-Verbotsgesetzes.
Armin Sippl, FP-Klubobmann im Grazer Gemeinderat, beteuerte gegenüber der Kleinen Zeitung, dass sie mittlerweile aus dem RFJ ausgeschlossen wären. Als Sippel Grazer Obmann des „Rings freiheitlicher Stundenten“ (RFS) war forderte dieser noch die Aufhebung des Gesetzes gegen NS-Wiederbetätigung. Sowohl Juritz als auch Sippel sind Mitglieder der Burschenschaft Germania zu Graz.
Sowohl aus RFJ als auch B! Germania ausgeschlossen wurde ein weiterer Verdächtiger: der Grazer Richard Pfingstl – allerdings nicht wegen seiner guten Kontakte zur Neonazi-Szene, sondern wegen einer anstößigen Aussendung. 2008 deckte der Falter auf, dass Armin Sippel beim rechtsextremen „Aufruhr-Versand“ T-Shirts mit den Aufdrucken „Germania – 88 wear“ und „Nationalist – Ehre, Freiheit, Vaterland“ bestellt haben soll, was er bis heute abstreitet. Daraufhin vergriff sich Pfingstl in einer Pressemeldung im Ton und empfahl, alle Mitarbeiter „einer nachrichten- und erkennungsdienstlichen Untersuchung“ inkl. „Nasen- und Anuskontrolle“ zu unterziehen.

Braune Töne im Mariazeller Land

Bekleidet mit einem T-Shirt, auf dem „Skinhead Steiermark“ zu lesen war, posierte der FP-Funktionär Hans Ploderer 2007 für ein Foto in der Mariazeller Silvanabar, wie der Standard kurz vor den Gemeinderatswahlen am 21. März berichtete. Aufgenommen wurde das Foto bei einem Konzert der Band „Agitator“ in einer Bar, die von Silvana Wallmann, FP-Jugendreferentin in Mariazell, betrieben wird. Mit Texten wie „Ich bin Leib und Seele Nazi, und ich weiß mit Sicherheit: für mich kann’s nix Schöneres geben, ich bleib Nazi für alle Zeit!“, animierte die Band die Gäste zum Hitlergruß. Im Februar 2010 besuchte auch Gerhard Kurzmann, steirischer FP-Chef und Spitzenkandidat für die Landtagswahlen im Herbst, die Bar und will dort nichts einschlägiges bemerkt haben. Auch mit dem steirischen Skinhead Ploderer ließ er sich ablichten.

Kurzmann als Retter der teutschen Sprache

Wenig Berührungsängste zeigte das Mitglied der „Kameradschaft IV“, einem Traditionsverband der Waffen-SS, auch bei einer Strache-Veranstaltung am Grazer Hauptplatz im Mai 2009, wo er mit Mitgliedern des RFJ fotografiert wurde, die während der Kundgebung mit ausgestrecktem Rechten Arm „Hasta la vista, Antifascista!“ gröhlten. Was er als Reaktion auf angebliche Provokationen seitens linker GegendemonstrantInnen abtut, ist in Wahrheit der Refrain eines Liedes der verbotenen deutschen Neonazi-Band „Sturm 18“. Die Zahl steht bekanntlich für den ersten und den achten Buchstaben im Alphabet – AH, ein szeneüblicher Code für die Initialen Adolf Hitlers.
Der Historiker und karenzierte Stadtarchivar hat sich auch ganz dem Schutz der deutschen Sprache verschrieben. Mehrmals schon brachte er im Parlament Anträge ein, um Begriffe wie „Slipeinlage“ oder „Cheeseburger“ aus dem Wortschatz zu tilgen. Geht es nach ihm, würden solche Anglizismen mit Verwaltungsstrafen geahndet werden.

SPÖ und ÖVP biedern sich an

Dass die beiden Großparteien bei den Landtagswahlen im Herbst Federn lassen werden, scheint gewiss. Deshalb halten sich Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und Herausforderer Hermann Schützenhöfer (ÖVP) mit Kritik an den steirischen Freiheitlichen unter Kurzmann auffällig zurück, brauchen sie ihn doch als etwaigen Königsmacher. „In Fragen des Sozial- und Demokratieabbaus unterscheidet sich die FP ohnehin kaum von den Großparteien. Deshalb schweigen sie sich zu den rechtsextremen Umtrieben von Kurzmann und Co. aus“, meint Claudia Klimt-Weithaler, Klubobfrau und Spitzenkandidatin der steirischen KPÖ und fügt an: „Die Gemeinderatswahlen haben gezeigt: Dort, wo die KPÖ stark ist, gelingt es den rechten Rattenfängern nicht, zu reüssieren. Antifaschismus heißt für uns KommunistInnen, das Problem an den sozialen Wurzeln zu packen und so den Rechten den Nährboden für ihre Demagogie zu entziehen.“

1    Gerd Honsik (geb. 1941) ist militanter Neonazi und Holocaustleugner, der schon mehrmals wegen des Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz verurteilt wurde. Der Südtirol-Terrorist ist Mitglied der Wiener Burschenschaft „Rugia-Markomannia“, war Aktivist des RFS und verbüßt derzeit eine fünfjährige Haftstrafe.
2    Gottfried Küssel (geb. 1958) ist mehrmals verurteilter Neonazi. Er war Mitglied der „Danubo Markomannia zu Wien“, gründete 1986 die „Volkstreue außeparlamentarische Opposition“ (VAPO) und betreibt heute einen „nationalen Bioladen“ mit dem Namen „Naturnah“ in Wien Leopoldstadt.

rfj