Dieser Offene Brief des KSV Salzburg richtet sich an alle Curricularkommissionen und Studienvertretungen der Universität Salzburg.
Liebe KollegInnen!
Wir sind besorgt über die radikale Umgestaltung der Lehramtsstudien an unserer Universität, die vom Rektorat diktiert wurde und von den CuKos derzeit in höchster Eile durchgeführt werden soll. Ihre eigentlichen Ziele liegen im Dunkeln. Das vorgebliche Motiv für die losgetretene Hektik basiert auf einer bloßen Spekulation und wird nicht öffentlich diskutiert. Die undemokratische und undurchsichtige Art und Weise, wie dieser Prozess von oben vorgegeben und vorangetrieben wird, erweckt völlig zu Recht den Unmut zahlreicher Mitglieder der verschiedenen CuKos. Derzeit regiert nicht das bessere Argument, sondern die bessere Intrige, die bessere Hinterzimmer-Verhandlung und das bessere Netz aus Abhängigkeiten. Es stehen nicht die Interessen der Studierenden und deren späteren SchülerInnen und auch nicht die der Fachbereiche im Mittelpunkt, sondern die Interessen derer, die schon in den letzten Jahren ihre Fähigkeit eindrucksvoll bewiesen haben, das österreichische Hochschulwesen an die Wand zu fahren.
Gründe genug also, sich zur Wehr zu setzen. Nicht nur, aber auch in Bezug auf die Curricula-Umstellung. Bisher hat sich der Unmut der CuKos nicht in Widerstand verwandelt, da wir alle zu sehr an die feudalen Strukturen der Universität gewöhnt sind und auch, weil vonseiten des Rektorats offen mit personellen Konsequenzen gedroht wurde. Letzteres bezieht das Rektorat auf die Befürchtung, dass die Regierung im Zuge der reformierten LehrerInnenausbildung den Pädagogischen Hochschulen die Ausbildung von AHS- und BHS-LehrerInnen ermöglichen könnte. Dies wäre tatsächlich nicht zu befürworten, doch hat das nichts mit der aktuellen Curricula-Umstellung zu tun! Hier einen Zusammenhang zu behaupten ist höchst spekulativ und irreführend; Ziel dieser Übung ist es, die CuKos zu erpressen und am Gängelband zu halten. Andere personelle Konsequenzen an der Universität Salzburg drohen hingegen gerade durch die Curricula-Umstellung. Die Einführung der neuen Lehramts-Curricula ist ein Vorpreschen, wie es das Rektorat wünscht, aber es ist ein Vorpreschen nach hinten. Es besteht die Gefahr, dass zahlreiche MaturantInnen aufgrund der fragwürdigen neuen Curricula nicht in Salzburg studieren wollen, was zu überfüllten Studiengängen in anderen österreichischen Universitäten und zu Stellenabbau an unserer Uni Salzburg führt. In vielen CuKos gibt es dennoch ehrgeizige Mitglieder, die den Plan des Rektorats rasch umsetzen wollen, während sich andere Mitglieder davon überrumpelt fühlen. Wir schlagen vor, dieser Diskrepanz mit einer gemeinsamen Diskussion entgegenzuwirken, die die diktierte Umstellung von Grund auf in Frage stellt.
Manche meinen, das Bachelor/Master-System würde ohnehin kommen, es mache daher keinen Sinn, sich dagegen zu wehren. Dem ist nicht so! Auch die Rechtswissenschaften, die Medizin und die Theologie haben sich bisher erfolgreich gegen diese Umstellung gewehrt – und nicht ohne Grund blieben bis dato auch die Lehramtsstudien verschont! Wir halten das Bachelor/Master-System grundsätzlich für sehr fragwürdig, es hat schon bisher zu massiven Problemen geführt und es ist keine Besserung absehbar. Besonders absurd erscheint dieses System jedoch bei der LehrerInnenausbildung. In manchen Fächern führt die Umstellung sogar dazu, dass Bachelor-AbsolventInnen zentrale Kernbereiche des Fachs noch nicht einmal kennengelernt haben, da diese aufgrund der engen Vorgaben auf das Master-Studium verschoben werden müssen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es bei der Einführung des Bachelor/Master-Studiums in der LehrerInnenausbildung vor allem darum geht, billigere Arbeitskräfte für die Schulen heranzubilden. Jedenfalls bleibt es die Bringschuld des Rektorats wie auch der Politik, öffentlich zu argumentieren, warum die Umstellung Vorteile mit sich bringt und warum diese die Nachteile deutlich überwiegen. Das wurde bisher unterlassen, vielleicht weil es unmöglich ist. Solange das nicht passiert, besteht kein Grund, diesen Plänen Folge zu leisten, denn warum in aller Welt sollten Curricularkommissionen drohende Verschlechterungen mittragen? Wir dürfen uns nicht einreden lassen, durch den demokratisch kaum legitimierten Beschluss des Bologna-Prozesses wäre der zukünftige Weg vorgegeben, denn er ist völkerrechtlich völlig unverbindlich und wird aufgrund der unübersehbaren Probleme teilweise bereits wieder zurückgenommen.
Einige Uni-MitarbeiterInnen verlassen sich zu sehr auf Proteste vonseiten der Studierenden. Dies ist eine Haltung, die etwaige Studierendenproteste letztlich schwächt und die sich früher oder später auch für die MitarbeiterInnen rächen kann. Diese müssen stattdessen eigenständig eine progressive bildungspolitische Position einnehmen, aktiv dafür kämpfen und sich mit den Kämpfen der Studierenden verbinden. Nicht nur in Zusammenhang mit dem konkreten Fall kristallisieren sich drei Punkte als zentral heraus; wobei diese nicht als Stufenbau zu lesen sind, sondern bestenfalls Hand in Hand gehen:
Hinterfragen. Stellen wir die geplante Curricula-Umstellung von Grund auf in Frage. Welche Konsequenzen hat die Umstellung auf das Bachelor/Master-System? Welche Verschlechterungen könnte sie mit sich bringen? Will man diese Verschlechterungen einfach so hinnehmen und mittragen? Sind die behaupteten, jedoch nur vage formulierten Vorteile des modularen Curriculums nachvollziehbar? Welche Verschlechterungen könnte die Modularisierung mit sich bringen? Welche Vorteile und Nachteile haben die erwünschten “Querschnittsmodule” im Vergleich zu den bisherigen freien Wahlfächern? Ist die verordnete Eile wirklich sinnvoll? Beruht sie auf einer durchwegs klaren, rationalen Begründung oder zumindest teilweise auf bloßer Spekulation?
Vernetzen. Halten wir engen Kontakt mit den anderen Studierenden und MitarbeiterInnen der jeweiligen Fachbereiche, sprechen wir uns untereinander ab, vergleichen wir die Probleme der verschiedenen CuKos und überlegen wir gemeinsam, was wir gegen die Curricula-Umstellung unternehmen können.
Handeln. Stellen wir die Curricula-Umstellung nicht nur in Worten in Frage, sondern auch in Taten. Ein Boykott der Umstellung ist die klarste und wirksamste Antwort auf den Druck von oben. Eine CuKo-Abstimmung gegen das eigene Curriculum hat zwar keine rechtlichen Konsequenzen (die Lehramts-CuKo könnte das Curriculum rein theoretisch trotzdem beschließen), jedoch einen starken symbolischen Wert. Mit Kundgebungen, Medienaktionen, Diskussionsveranstaltungen, Unterschriftensammlungen, etc. kann die notwendige öffentliche Diskussion losgetreten und Gegengewicht aufgebaut werden. Packen wir es an!
Einige werden es nicht lassen können, diesen Brief als bloße Wahlkampfmaßnahme abzutun. Schon unser Engangement gegen Studiengebühren im Sommersemester letzten Jahres wurde in diesem Sinne diskreditiert. Wir nehmen den Vorwurf gelassen, denn er entlarvt lediglich diejenigen die ihn erheben als unfähig, in anderen Begriffen zu denken als in den Begriffen bürgerlich-demokratischer Wahlen. Es ist wahr, dass wir alle zwei Jahre bei den ÖH-Wahlen kandidieren und dass wir uns über jede Stimme freuen. Für uns sind jedoch weder die Wahlen selbst noch die Gremien, für die wir kandidieren, ein Selbstzweck, sondern bloß eines von mehreren Mitteln. Eigentlicher Zweck unserer gesamten politischen Arbeit ist hingegen, “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist” (Marx). Das mag sich in Zusammenhang mit diesem Brief vermessen anhören, dennoch hoffen wir, einen geringen Beitrag dafür leisten zu können, dass sich die Studierenden und MitarbeiterInnen der Universität Salzburg nicht alles gefallen lassen, dass sie nicht alles von oben Gewünschte unhinterfragt ausführen, sondern stattdessen ein politisches Selbstbewusstsein entwickeln, um Widerspruch einzulegen, für die eigenen Interessen gemeinsam zu kämpfen und so Schritt für Schritt eine demokratische und solidarische Universität zu schaffen.
Unser aller Motto soll lauten: “Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren” (Brecht).
Freundliche Grüße,
Astrid Hainz (Mitglied der StV und der CuKo Biologie),
Stefan Klingersberger (Mitglied der StV und der CuKo Philosophie),
Hannah Wahl (Mitglied der StV Geschichte),
für den KSV Salzburg.