Dass Star Trek mittlerweile zu einem Mythos avanciert ist, der durch kein ähnliches Gebilde in der Fernsehgeschichte übertroffen werden kann, ist unumstritten; aber auch die Tatsache, dass diese Thematik (noch) immer aktuell ist, mit vielen politischen und sozialen Fragen der Gegenwart (und Vergangenheit) sowie mit der aktuellen Forschung in verschiedenen Bereichen in Verbindung gebracht wird (wurde), eröffnet natürlich eine ganz einfache Frage: Ist dies das Resultat einer krankhaft euphorischen Fangemeinde oder bietet Star Trek wirklich Ansätze, die sich in vielerlei Hinsicht auf die Realität anwenden lassen?
Was die Behandlung des Themas selbst angeht, bin ich natürlich nicht der erste, der sich diese Frage stellt und versucht, das Thema allgemeiner aufzufassen. Allein im Internet finden sich etliche Seiten, wo man jede Einzelheit über die verschiedenen Star Trek-Filme und Serien herausfinden kann, und es fehlt auch nicht an solchen, die selbst vorgeben, nüchtern mit dem Thema umzugehen, sich als „wissenschaftlich“ sehen und meiner Meinung nach dabei den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen. Manche sehen so in Star Trek die Verwirklichung eines amerikanischen Staatskapitalismus, der danach trachtet, anderen Völkern und Kulturen sein Gedankengut aufzuzwängen; andere wiederum sehen in der Serie eine utopische KommunistInnenpropaganda und wieder andere interpretieren das Gesamte als etwas komplett anderes. Eines steht aber fest: Bei Star Trek handelt es sich um eine Sciencefiction-Story, und wenn wir über diese eine gesellschaftspolitische Diskussion führen, können wir ohnehin nur über eine Theorie reden, da kein ähnliches System existiert, bei dem wir auf empirische Weise Erfahrungen hätten sammeln können, um es dann mit dieser Theorie zu vergleichen. Daher ist es schlichtweg irrsinnig Einzelheiten aus dem Handlungsgeschehen der Filme/Serien zu betrachten, weil diese nur einen Nährboden für irrationale Spekulationen darstellen. Eine rationale Diskussion kann daher nur theoretisch und allgemein geführt werden.
Entstehung und Umfeld
Alle Filme, Romane, Computerspiele, Fanartikel und andere Materialien, die unter diesem Namen zu finden sind, basieren auf der von Gene Roddenberry 1966 geschaffenen Serie „Star Trek“. Er schuf eine Serie, die einerseits sehr schnell bekannt wurde, sodass es schlussendlich ihren Fans zu verdanken war, dass sie um weitere zwei Staffeln verlängert wurde; in der er aber auch andererseits seine eigene Meinung zu sozial-politischen Themen äußern konnte. So war Star Trek für seine Zeit sehr fortschrittlich: an Board des Raumschiffs Enterprise befand sich ein weibliches Crewmitglied namens Nyota Uhura (Nichelle Nichols), eine der ersten schwarzen Frauen, die eine größere Rolle im amerikanischen Fernsehen spielen durfte; weiters gab es einen schottischen Chefingenieur Montgomery Scott (James Doohan), einen japanischen Offizier namens Hikaru Sulu (George Takei) sowie (nach der zweiten Staffel) einen russischen Charakter namens Pavel Chekov (Walter Koenig) und viele andere. Diese Nationalitätenvielfalt war auch aus Sicht der damaligen Zeit etwas Besonderes, vor allem wenn man den Kalten Krieg und andere politische Umstände in Betracht zieht. Beim ersten Offizier Spock (Leonard Nimoy), der einen außerirdischen „Vulkanier“ darstellt, war es z.B. anfangs schwierig, ihn überhaupt in die Serie einzubinden, da sein „satanisches“ Aussehen die ZuschauerInnen hätte beunruhigen können. Diese und ähnliche Schwierigkeiten stellten sich Roddenberry zu Anfang der Serie und er musste viele seiner Konzepte verändern, was er schließlich später auch in einem Buch veröffentlichte (wobei ich darauf nicht genau eingehen möchte).(1)
“The needs of many outweigh the needs of few”
Meiner Meinung beachtenswert ist jenes gesellschaftliche Bild, das durch die Serien und (teilweise) Filme vermittelt wird: Eine geld- und klassenlose Gesellschaft, deren höchste Prioritäten die Erhaltung des Friedens und der wissenschaftliche Fortschritt sind. Die Föderation (i.e. die Vereinigung von vielen Nationen – irdischen und außerirdischen) wird hierbei als ein stabiles Gebilde gezeigt, also eine wirtschaftliche und ideologische Vereinigung mit dem Unterschied (z.B. zur EU), dass das höchste Ziel nicht die Marktwirtschaft sondern tatsächlich die Erhaltung des Friedens ist.(2)
Politisch gesehen stehen den Prinzipien der Föderation nur (!) rückständige Ideologien entgegen, wie etwa Lebensformen, die auf einer ausbeutenden oder durch eine eindeutige Minderheit geführten Gesellschaft, die sich entweder noch bekriegt oder technologisch unentwickelt ist, fußen. Das beste Beispiel hierfür bieten die Klingonen, die als ein patriarchales, nationalistisches und machtgieriges Volk gezeigt werden.
Weiters werden in den Serien/Filmen stets moralische Fragen gestellt, wie etwa versucht wird aus der damaligen Zeit die heutige zu reflektieren oder die Frage nach einem transzendentalem Wesen in Form eines Gottes zu beantworten. Hierbei erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Herangehensweise bei solchen Diskussionen stets eine „wissenschaftliche“ – also eine Synthese aus Experiment und Theorie – ist. Daher entfallen in der dortigen Gesellschaft Institutionen wie die Kirche in der heutigen Form.
Meiner Meinung ist auch die Rolle der VulkanierInnen sehr wichtig. Sie werden als ein Volk gezeigt, das sein ganzes Leben nach der Logik entwickelt.(3)
Natürlich entstehen dadurch auch in den Filmen immer wieder Widersprüche zum Menschlichen, da der Mensch als ein „unlogisches Wesen“ gezeigt wird. Genau genommen kommt im Film das Menschliche als eine emotionalere Eigenschaft, die oft zu Fehlern tendiert, heraus. Die Logik ist aber die, die den allumfassenden Hintergrund bzw. die Theorie der ganzen Handlungen erklärt.(4) Deswegen hat auch Spocks Spruch aus der Überschrift im zweiten Film eine besondere Bedeutung.
Noch erwähnenswert bei VulkanierInnen ist die Tatsache, dass sie sehr wohl eine Kirche und eine „Seele“ (Katra) besitzen, deren Bedeutung in Hinblick auf ihr Leben minimal ist. Spocks Handeln geschieht nach den Prinzipien der Föderation, die Religion ist nur ein Bestandteil seiner Kultur, die keinen Einfluss auf seine Arbeit nimmt.
„Eine Rasse bis zum Aussterben zu jagen, ist unlogisch“
Theoretisch gesehen lassen sich also in Star Trek viele Parallelen zu einer kommunistischen Gesellschaft finden, die eigentlich widerspruchslos in ihrer Existenz gezeigt wird, technologisch jedoch (bis jetzt) unmöglich zu realisieren ist. Versucht man die Serien/Filme allerdings mit der Gegenwart zu vergleichen, zeigen sie auch durchaus eine lehrende Wirkung.
So wird allgemein ein sehr guter Umgang mit der Technologie, anderen Kulturen und Lebewesen gezeigt, der heute in vielen Fällen zu wünschen übrig lässt.(5) Versucht man etwa die dortige technologisch ausgereifte mit einer kapitalistischen Gesellschaft zu vergleichen, die mit der gleichen Technologie verfügt, wird die Unmöglichkeit einer funktionierenden kapitalistischen Gesellschaft früher oder später vollkommen ersichtlich – besonders in Hinblick auf die Technologie, die im Kapitalismus ausschließlich zur Profitmaximierung genutzt wird, welche wiederum Kriege und andere imperialistische Raubzüge impliziert – und somit sich mit der Föderation und der Gesellschaft in Star Trek widerspricht.
Im vierten Film wird dann auch die Problematik rund um den Walfang gezeigt, als die Crew eine Zeitreise in die heutige Zeit macht; hier wird die heutige Gesellschaft auch als „primitive paranoide Kultur“ beschrieben bzw. der Arzt Pille verabscheut, dass „sie noch Geld benutzen“. Auch die Möglichkeit, dass Wale eine viel höhere Intelligenz als bisher angenommen besitzen, wird in diesem Teil offen gelassen.
In den alten Serien finden sich immer wieder Folgen, die eher einen psychologischen und menschlichen Hintergrund als eine Science-Fiction-Story beinhalten. So landet die Crew in einer Folge zum Beispiel auf einem Planeten, der durch ein nationalsozialistisches System geführt wird.(6) Am Ende wird zwischen Spock und Kirk ein Resümee gezogen, in dem sie schließen, dass jegliche Gesellschaftsform, die autoritär (durch straffe Regeln) aufgebaut und durch eine Minderheit bzw. einen Führer geführt wird, fehlerhaft ist und früher oder später im Faschismus endet. Interessanterweise wird in diesem Gespräch auch der Kampf gegen den Faschismus als gerechtfertigt angesehen, was für mich eine eindeutige Antwort zu den weltweiten Diskussionen rund um das Verbot der nationalsozialistischen Parteien bzw. um die Vergangenheitsbewältigung ist.
In vielen anderen Folgen gibt es ebenso faszinierende Themen aus dem Alltag wie auch sehr wissenschaftlich-theoretische Zugänge, die aufgrund des Umfangs dieses Artikels nicht weiter besprochen werden können.
Denkanstöße sammeln!
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Star Trek einen sehr spannenden Ausflug in eine Science-Fiction-Welt bietet, von der man in vielerlei Hinsicht lernen oder Denkanstöße sammeln kann. Die ganze Gesellschaft in Star Trek baut auf der Wissenschaft, dem Sammeln von Erkenntnissen jeglicher Art und dem geistigen Fortschritt, also Prinzipien, die heute mehr oder weniger vernachlässigt werden, auf. Auch wird jeglicher Profit als eine gesellschaftsfeindliche bzw. kriegsfördernde Tendenz gezeigt (bestes Beispiel: KlingonInnen).
Das Faszinierende für mich ist jedoch, dass Roddenberry beim Schreiben dieser Science-Fiction-Story eine technologisch ausgereifte und in ihrer Existenz widerspruchslose Gesellschaft beschreiben musste, um die Story halbwegs glaubhaft zu machen. Dass das Resultat dann eine Gesellschaft war, die auf sozialen Grundsätzen (anstatt materiellen) definiert wurde und einer kommunistischen Gesellschaft sehr ähnelte, ist für mich insofern interessant, als dass sein Zugang ein ganz anderer als bei Marx, Engels und Lenin und trotzdem das Resultat beinahe ident war; alles andere ist Science-Fiction.