Das private Vermögen ist in Österreich enorm konzentriert. Eine aktuelle Erhebung der Österreichischen Nationalbank zeichnet Spuren im Nebel der Vermögensforschung. Das Gesamtvermögen von rund einer Billion Euro ist in den Händen weniger; der Großteil der Bevölkerung besitzt (fast) kein Vermögen.

Laut einer aktuellen Erhebung der Österreichischen Nationalbank nennen die Top-5 Prozent der Haushalte beinahe die Hälfte des Bruttovermögens – also Vermögen ohne Abzug etwaiger Verschuldung – ihr Eigen. Hingegen besitzt die untere Hälfte der Bevölkerung nicht einmal 4 Prozent des Vermögens in Österreich. (Schürz 2012a)

Der Co-Autor der Studie der OeNB Martin Schürz bringt die Ergebnisse auf den Punkt: „Beim privaten Vermögen trifft eklatanter Überfluss auf krassen Mangel.“ (Schürz 2012a)

Verdienen die Reichen was sie verdienen?

 … Nein, sonst wären sie ja nicht reich.“ (Schürz 2009b) Reichtum wird – vor allem von den Vermögenden selbst – zumeist über Leistung, gemessen am Marktwert des eigenen Erfolgs, legitimiert. Wie kann aber „Leistung“ verglichen werden? Wer bestimmt, was mehr Leistung und was weniger ist? Kann die Leistung einer Frau in der 24 Stunden Pflege mit der eines Managers verglichen werden? (Schürz 2009b)

Die extremen Unterschiede in Österreich zwischen Arm und Reich können schlichtweg nicht mit Leistungsunterschieden erklärt werden. Dafür sind die Armen zu arm und die Reichen zu reich. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich Reiche beim Leistungsargument nicht gerne auf das Vermögen beziehen. Wenn „Leistung“ thematisiert wird, so sprechen Vermögende lieber über ihr Einkommen. (Schürz 2012b)

Leistung als moralische Rechtfertigung

„Das individualistische Leistungsprinzip ist die zentrale normative Ressource der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, um die massive Ungleichverteilung von Lebenschancen moralisch zu rechtfertigen.“ (Schürz 2009b)

Erbschaften spielen in der Vermögensverteilung eine wichtige Rolle. Aber: Mit welcher Leistung wird das Erben begründet? Hier werden vielfach enorme Summen ohne jegliche Leistung weitergegeben. Eine Wiedereinführung der Erbschaftssteuer wird allerdings kaum diskutiert, wohl auch deshalb, weil eine Erbschaftssteuer den Interessen der Vermögenden massiv zuwiderlaufen würde. (Schürz 2009a)

Aufgrund der extremen Konzentration von Vermögen könnte über eine Erbschaftssteuer ein wichtiger Beitrag für das Gemeinwesen erzielt werden – trotz Freibeträgen. (Arbeiterkammer 2012a)

„Es sind die Reichen, welche die Armen ärmer machen.“(Schürz 2009b)

Nicht zuletzt aufgrund fehlender Erbschafts- und Schenkungssteuern ist Österreich bei vermögensbezogenen Steuern im internationalen Vergleich nach wie vor Schlusslicht. Lediglich 1,3 Prozent des gesamten Steueraufkommens kamen 2010 aus vermögensbezogener Besteuerung. Im OECD-Durchschnitt waren es 5,5 Prozent. (Arbeiterkammer 2012b) In den „sozialistischen“ Ländern wie Großbritannien, Japan und den USA liegt der Anteil der vermögensbezogenen Steuern am Gesamtaufkommen überhaupt bei teils deutlich über 12 Prozent. (The Economist 2011)

Ungleichheit und politische Exklusion

Die Reichen besitzen nicht nur ein unglaubliches Vermögen, vielmehr haben sie dadurch Möglichkeiten, die anderen vorenthalten sind. Sie können ihre Interessen durch politische Einflussnahme, wie Lobbying, Parteienfinanzierung und Mediendominanz durchsetzen. (Schürz 2009a) Eine derartige Konzentration von Vermögen höhlt demokratische Verfahren aus: „Politik verkommt zu einem öffentlichen Spektakel, während die wichtigen Entscheidungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen Eliten aus Politik und Wirtschaft ausgemacht werden.“ (Schürz 2009b)

So wird die soziale Ungleichheit in politische Exklusion verlängert. Sozial Schwache nehmen somit an der politischen Willensbildung nicht teil. (Schürz 2009b)

Auch die öffentliche Meinungsbildung wird durch diese Schieflage maßgeblich beeinflusst. Das beste Beispiel ist das geringe Wissen der Öffentlichkeit über die enorme Reichtumskonzentration in Österreich oder auch über die tatsächliche Besteuerung von Vermögen. So kam 2012 eine Umfrage der Tageszeitung Der Standard zu dem Ergebnis, dass 35% der Bevölkerung die Erbschaftssteuer in Österreich zu hoch finden, auch wenn diese 2008 abgeschafft wurde. (Schürz 2012a)

Die enorme Vermögenskonzentration macht eine angemessene Debatte über Vermögensverteilung unmöglich. Vom tatsächlichen Reichtum in Österreich können wir daher nur Spuren im Nebel erkennen. Unter diesen Bedingungen werden die Reichen autonom über ihren Beitrag zur Gesellschaft bestimmen. (Schürz 2012c)

Dünne Datenlage zur Vermögensverteilung

Bislang war die Datenlage zur Vermögensverteilung in Österreich besonders schlecht. Mit den Daten des Household Finance and Consumption Survey (HFCS), durch die Nationalbank (OeNB) durchgeführt, ist erstmals eine umfassende Analyse der Verteilung des Privatvermögens in Österreich möglich.

Obwohl die Ergebnisse bereits eine enorme Konzentration des Vermögens aufzeigen, wird auf eine deutliche Unterschätzung der Schieflage hingewiesen. Ein wichtiger Grund ist, die Problematik extrem reiche Haushalte in die Stichprobe zu bekommen. Dies liegt nicht nur an der geringen Fallzahl sondern auch an der Freiwilligkeit der Beteiligung. Extrem Reiche beteiligen sich an entsprechenden Befragungen sehr ungern. (Altzinger 2012) So gibt es auch trotz HFCS-Studie weiterhin wenige Informationen über die besonders Vermögenden in Österreich.

 

[box type=”shadow” align=”alignright” ]Fakten zur Vermögensverteilung

Wird das Nettovermögen herangezogen, ändert sich an der Konzentration des Vermögens nichts. So beläuft sich das Median-Nettovermögen der Top-5 Prozent auf 1,7 Mio. Euro. Der Median trennt die untere, nach der Vermögenshöhe geordnete Hälfte der Gruppe oder Bevölkerung von der oberen Hälfte. Die „untere Hälfte“ der österreichischen Haushalte verfügt dahingegen über ein Nettovermögen von 11.000 Euro im Median. Ein Haushalt der Top-5-Prozent verfügt somit über ein Nettovermögen von rund 155 Haushalten der ärmeren Hälfte Österreichs. (Schürz 2012a)

Beim Nettovermögen in Österreich nimmt der Gini-Koeffizient einen Wert von 0,76 an. Der Gini-Koeffizient dient als Maßzahl für die Verteilung von Einkommen und Vermögen in einem Land und liegt zwischen 0 (Gleichverteilung) und 1 (eineR besitzt alles). Diesem Wert entspricht eine Verteilung, bei der von 100 Haushalten einer 3,74 Mio. Euro besitzt und die verbleibenden 99 jeweils 11.000 Euro – dem tatsächlichen Median-Nettovermögen der „unteren Hälfte“! Dieser Wert ist sowohl im internationalen Vergleich als auch im Vergleich zur Einkommensverteilung in Österreich hoch (Gini-Koeffizient von 0,26). (Schürz 2012a, Altzinger 2012)[/box]

 

Literaturverzeichnis

Altzinger, Wilfried (2012): Die vergessenen Superreichen, http://derstandard.at/1348285076842/Die-vergessenen-Superreichen

Arbeiterkammer (2012a): Verteilung der Vermögen in Österreich – Viele haben wenig und wenige haben viel, AK aktuell 10/2010

Arbeiterkammer (2012b): Vermögensbezogene Steuern für mehr Verteilungsgerechtigkeit, http://www.arbeiterkammer.com/online/experten-pro-vermoegenssteuern-69623.html

Schürz, Martin (2012a): Fakten zur Vermögensverteilung in Österreich II, Zukunft 12/2012

Schürz, Martin (2012b): Fakten zur Vermögensverteilung in Österreich, Zukunft 10/2012

Schürz, Martin (2012c): Ungleicher als gedacht?, Zukunft 11/2012

Schürz, Martin (2009a): Reichtum – Spuren im Nebel, WISO 32, Nr.2

Schürz, Martin (2009b): Verdienen Reiche was sie verdienen?, Kurswechsel 1/2009

The Economist (2011): Taxation policy – Fair shares, http://www.economist.com/blogs/buttonwood/2011/04/taxation_policy&fsrc=nwl