Von Gerfried Tschinkel
"Ich verstehe die ganze Aufregung nicht", so Bildungsministerin Elisabeth Gehrer zur Kritik an der geplanten Novellierung des HochschülerInnenschaftsgesetzes, die rücksichtslos mit demokratischen Errungenschaften aufräumen will. Gehrer wird nicht müde, zu betonen, dass das neue HSG notwendigerweise aus dem Universitätsgesetz 2002 (UG02) resultiere, mit dem man/frau die Universitäten in die Autonomie entlassen hat.
Freilich lässt sich darüber streiten, inwiefern die so gerechtfertigten "Anpassungen" die antidemokratische Radikalität des neuen HSG erzwingen. Doch Frau BMin Gehrer hat insoweit recht, als dass der Angriff auf universitäre Demokratie in ein Konzept der Umstrukturierung der Universitäten eingebettet ist, in dem studentische Mitbestimmung nicht allzu viel Platz hat.
Diese Umstrukturierung läuft auf eines hinaus: die Privatisierung der Universitäten. Freilich wird man von Seiten des Bildungsministeriums immer wieder zu hören bekommen, dass eine solche Privatisierung nicht zur Debatte stehe. Doch bevor wir der Regierung unser volles Vertrauen schenken, sei noch einmal auf eine Diskussion verwiesen, die etwas länger zurückliegt und über den Kreis weniger Eingeweihter hinaus kaum bekannt geworden ist.
Bevor das UG02 erstellt wurde, ist eine Arbeitsgruppe der Rektorenkonferenz von der Regierung beauftragt worden, Vorschläge für die geplante "Reform" zu erarbeiten. Im Frühsommer 2001 präsentierte diese Arbeitsgruppe das Papier "Universitäten im Wettbewerb. Zur Neustrukturierung österreichischer Universitäten." Unter anderem wurden in diesem Dokument Überlegungen angestellt, in welche Rechtsform die Universitäten zu überführen seien, um bei Sicherstellung staatlicher Einflussnahme und Finanzierung einerseits die Selbstverwaltung der Universitäten andererseits bestmöglich zu gewährleisten. Allen Ernstes wurde dabei in Erwägung gezogen, Österreichs Universitäten in Kapitalgesellschaften umzuwandeln. Wie Günter H. Roth anmerkt1, der diesbezüglich ein Gutachten ausarbeitete, wurde auch in Regierungskreisen eine Zeitlang die Variante favorisiert, Universitäten künftig als GmbH zu führen.
Das könnte dann so aussehen, dass die GeldgeberInnen, also der Staat, eventuell aber auch private InvestorInnen, MitgesellschafterInnen der Universitäten sind. Doch könnte der Staat die notwendigen finanziellen Mittel auch dann weiterhin zur Verfügung stellen, wenn er nicht selbst Gesellschafter ist. Womit diese Zuwendungen Subventionen gleichkämen.
Argumentiert wurde, dass es die Rechtsform des Privatrechts erleichtern würde, interessierte GeldgeberInnen als GesellschafterInnen in die Universitätsstruktur einzubinden, um so Finanzierungsanreize zu schaffen. Ganz klar ist, dass hiermit die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Privatisierung der Universitäten gegeben wären. Für die Organisationsstruktur hieße das folgendes: Neben der GesellschafterInnenversammlung sieht die GmbH ein Gesellschaftsführungsorgan und einen Aufsichtsrat vor. Letzterer wird von Mitgliedern der GesellschafterInnenversammlung und von den ArbeitnehmerInnen (z.B. ProfessorInnen) beschickt. Gegebenfalls können Beiräte eingerichtet werden. Studierende gelten als DienstleistungsempfängerInnen und stehen prinzipiell außerhalb der Unternehmensstruktur. Was sie, wenn nicht autonom anders geregelt, von der Mitbestimmung gänzlich ausschließt.2
Obgleich die Universitäten nach dem UG02 trotz Autonomie nach wie vor öffentlich-rechtliche Institutionen sind, lassen die hier angedeuteten Strukturen angesichts geschlagener und zu schlagender Schlachten doch schon erahnen, wohin die Reise geht. Man darf sich, was die Rechtsformdebatte betrifft, hinsichtlich zukünftiger Unireformen jedenfalls auf einiges gefasst machen.
Die Funktion von Studiengebühren
Entscheidender als die Frage der möglichen Rechtsform ist vielleicht jene der Mittelzuweisung. Bekanntlich erhalten die Universitäten seit dem Inkrafttreten des UG02 ein Globalbudget, welches für drei Jahre festgeschrieben ist. Die Erhöhung des Budgets hängt wesentlich von den vereinbarten Leistungskriterien ab, wonach die Universitäten entsprechende Ergebnisse in Forschung und Lehre zu liefern haben. Zusätzlich können die einzelnen Universitäten über die Studiengebühreneinnahmen verfügen. Die Höhe dieser Einnahmen variiert klarerweise mit der Zahl der Studierenden.
Hier zeigt sich, welche Funktion Studiengebühren zunächst erfüllen. Neoliberale "BildungsökonomInnen" haben nie ein Hehl daraus gemacht, welche Konsequenz sich aus der Einhebung von Gebühren, in Zusammenhang mit der Autonomie der Universitäten ergibt: "Veränderungen in der Nachfrage werden unmittelbar für die zentrale Hochschule […] finanzwirksam und müssen im Positiven wie im Negativen zu entsprechenden Anpassungen führen. So ist es durchaus vorstellbar, dass bei einem dauerhaften Wegfall der Studierenden und mangelnden Erfolgen in der Forschung Fakultäten langfristig geschlossen werden."3
Die Konkurrenz um Studiengebühreneinnahmen setzt einen Differenzierungsprozess in Gang, der den Boden für künftige Privatisierungen bereitet. Forschung und Lehre sollen erst nach den Verwertungserfordernissen des Kapitals organisiert werden, bevor die direkte Übernahme durch private InvestorInnen erfolgen kann.
Mit Bolkestein zur Privatisierung
Dass dies durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt unter anderem der radikale Vorstoß der EU-Kommission. Der im Februar 2004 von der Kommission vorgelegte Entwurf einer "Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt"4 hat zum Ziel, bis 2010 einen einheitlichen Binnenmarkt für Dienstleistungen zu schaffen, wobei staatliche Auflagen beseitigt und nationales Recht unterlaufen werden soll. Indem die so genannte "Bolkestein-Richtlinie" auch Eigentumsfragen streift, forciert sie die Privatisierung von Dienstleistungseinrichtungen.
Auch Universitäten fallen unter die Bolkestein-Bestimmungen. Denn Bildung gilt in der EU als handelbare Dienstleistung. Ausschlaggebend dafür ist, dass für eine erbrachte Leistung eine Gegenleistung, beispielsweise in Form einer Gebühr, anfällt. Besonders brisant ist die Bestimmung, die öffentliche Subventionen an private DienstleisterInnen berührt. Alle AnbieterInnen dürfen "finanzielle Beihilfen" vom Staat in Anspruch nehmen. Auch ausländische AnbieterInnen dürfen nicht in dieser Möglichkeit beschränkt werden. Unter Umständen ist es sogar möglich, dass einE privateR InvestorIn, der/die eine ganze Universität übernimmt, dafür fortlaufend die selben Zuschüsse erhält, wie eine staatliche Universität. Anders gesagt, ein Teil der Kosten für die Aufrechterhaltung des Universitätsbetriebs wird weiterhin aus dem Staatshaushalt finanziert, während die privaten InvestorInnen (aus In- und Ausland) die Einnahmen einstreifen.
In ökonomischer Hinsicht handelt es sich hier um einen Paradigmenwechsel. War das Monopolkapital bisher bestrebt, unproduktive Ausbildungskosten möglichst auf die Arbeitseinkommen abzuwälzen – denn das sollte ja die Finanzierung der Hochschulbildung über den öffentlichen Haushalt leisten -, so zielt die gegenwärtige Offensive weit darüber hinaus. Die Ausbildung selbst soll zur Einnahmequelle für das Kapital werden. Was sich vor unseren Augen abspielt, ist nichts anderes als die vielzitierte "Akkumulation durch Enteignung"5 (Harvey).