Interview: Claudia Wangerin

Die steirische KPÖ ist bei der Grazer Gemeinderatswahl am Sonntag mit 11,4 Prozent deutlich hinter das Sensationsergebnis von 20,8 Prozent im Jahr 2003 zurückgefallen und jetzt statt mit zwölf noch mit sechs Abgeordneten im Rathaus vertreten. Hat Sie das überrascht?
Wir wußten, daß es nicht leicht wird, das starke Ergebnis von 2003 zu halten – unsere Stadträtin Elke Kahr deutete das ja bereits im jW-Interview (19.1.) an. Es war der erste Rückschlag, den wir in 15 Jahren erlitten haben. Trotzdem erreichten wir immer noch das zweitbeste Ergebnis in der hiesigen Parteigeschichte. Etwa 12000 Menschen haben sich für uns entschieden. Fest steht: Wir werden weiterhin soziale Politik machen. Und: Wir haben immer noch ein zweistelliges Ergebnis erreicht.

Hatten Sie denn Befürchtungen, daß es auch dazu nicht mehr reichen würde?
Zum Schluß des Wahlkampfes war es nicht mehr absehbar. Doch letztlich ist es doch gelungen, daß die KPÖ weiterhin eine starke Kraft in der Stadtpolitik bleibt. Bis zum Jahr 2013 hat die KPÖ im Stadtsenat, im Gemeinderat den Bezirksräten weiterhin die Möglichkeit, als Lobby für die Menschen, denen es nicht so gut geht, zu wirken.

Die Wahlkampfthemen wurden zuletzt von rechts bestimmt – und die rechtsextremen Parteien gewannen vier Sitze hinzu. Wie wirkte sich etwa die antiislamische Hetze von Susanne Winter, Spitzenkandidatin der rechtsextremen FPÖ, auf das KPÖ-Ergebnis aus – zum Beispiel das Gerede von einem »islamischen Einwanderungstsunami über Graz«?
Das hat sich in der Endphase des Wahlkampfs mit Sicherheit ausgewirkt. Nicht, daß die Rechten uns damit Wählerstimmen abgenommen hätten – aber wir sind dadurch mit unseren Themen nicht mehr durchgedrungen. Und wir werden eben mehr als jede andere Partei bewußt wegen unserer Themen gewählt. Das haben die meisten KPÖ-Wähler bei Befragungen angegeben. Zudem wurden durch die Hetze Menschen mobilisiert, die sonst nicht zur Wahl gegangen wären – wie etwa Hardcore-Ausländerfeinde, die sich für anderes kaum interessieren. Dieser Effekt hat sich leider auch in ehemals klassischen Arbeitervierteln bemerkbar gemacht.

War dieser Ausländer-raus-Wahlkampf die Hauptursache für die große Differenz zwischen den KPÖ-Ergebnissen von 2003 und 2008?
Es gab sicherlich verschiedene Ursachen. Aber die FPÖ-Demagogie hat vor allen Dingen in der Endphase eine große Rolle gespielt. Außerdem haben unsere Verluste natürlich auch mit dem Wechsel von Ernst Kaltenegger in den Landtag zu tun. Dieser hatte in der Vergangenheit die Partei insbesondere in Graz mit seinem Einsatz für Mieterrechte und den Erhalt von Gemeindewohnungen so populär gemacht.

Wie stehen nach dem Wahlergebnis die Chancen für eine soziale Politik in Graz?
Die Rahmenbedingungen für den Erhalt des städtischen Eigentums, für die Sicherung der Gemeindewohnungen und für neue soziale Initiativen auf kommunaler Ebene im Gemeinderat haben sich nach diesem Gesamtergebnis stark verschlechtert. Es gibt jetzt eine strategische Mehrheit der Rechtsparteien für weitere Privatisierungsschritte. Es wird entscheidend auf unsere Fähigkeit ankommen, gemeinsam mit der Bevölkerung Initiativen gegen die Privatisierung des öffentlichen Eigentums, für die sozialen Rechte der arbeitenden Menschen und für eine Stadtentwicklung, die nicht von den Interessen der Immobilienhaie ausgeht, zustande zu bringen.

Welche Aufgaben stehen nun vor der KPÖ in Graz?
Wir werden weiterhin konkrete Hilfe leisten. Damit haben wir aber schon in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. Und auch aus Deutschland gibt es gute Beispiele dafür – ich denke da zum Beispiel an die erfolgreiche Initiative gegen die Ausgliederung von Gemeindewohnungen in Freiburg im Breisgau. Hand in Hand mit solchen Initiativen wollen wir auch in dieser Legislaturperiode zeigen, daß wir weiterhin eine starke und kantige Opposition gegen Privatisierung, Ausverkauf und Sozialabbau sind.

Aus: junge Welt vom 22. Jänner 2008

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