Von Heike Schrader, Athen

Nicht alle im europäischen Parlament vertretenen linken Kräfte sind Mitglied der Partei der Europäischen Linken (EL). Einige, wie die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE), stehen ihr sogar ausgesprochen kritisch gegenüber. Für die KKE ist die EU ein Zusammenschluß von Regierungen im Interesse des Kapitals. Eine Reformierung der Europäischen Union, hin zu einem sozialeren, demokratischeren und den Interessen der Mehrheit der in ihr lebenden Menschen dienenden Gebilde, wie ihn die EL propagiert, ist in den Augen der griechischen Kommunisten illusorisch. Für die KKE ist eine solche Änderung nur über die Verschiebung der Kräfteverhältnisse auf nationaler und internationaler Ebene und einen klaren Bruch mit der von der EU eingeschlagenen Strategie möglich. Solange dies nicht realisiert sei, würden die Mitgliedsstaaten der EU und ihre Regierungen Mittel und Wege finden, einmal verlorenen Boden wiederzugewinnen. Das zeige beispielsweise der jüngst verabschiedete Europavertrag. Mit ihm wurde im Prinzip die an Volksabstimmungen gescheiterte Europäische Verfassung unter anderem Namen wiederaufgelegt und durchgepeitscht.

Die diesbezügliche Kritik der KKE: »Die von der Europäischen Linkspartei und ihrem griechischen Mitglied Synaspismos vorgebrachte Kritik am Europavertrag ist nicht nur unzureichend und irreführend, sondern sogar gefährlich, da in ihr die Forderung nach mehr Eu-ropa gestellt wird, was in der Praxis ein mehr an imperialistischem und reaktionären Europa bedeutet. Ein Europa, das aus einer Position der Stärke heraus mit den USA und anderen imperialistischen Kräften um die Verteilung von Märkten und Einflußsphären konkurrierem kann.«

Wohin das führen kann, machte an anderer Stelle der KKE-Europaabgeordnete Thanasis Pafilis deutlich. In seiner Stellungnahme vom 24. September zur Haltung der EU gegenüber Serbien heißt es: »Die Europäische Union ist mitverantwortlich für den schmutzigen Krieg der NATO gegen Jugoslawien. Ist mitverantwortlich für die Ermordung tausender Jugoslawen, für ungeheure Zerstörung von Infrastruktur, Industrie, etc. Für den Einsatz uranhaltiger Munition. Es sind Clinton, Blair, Solana, damals Generalsekretär der NATO, und die weiteren Herrscher imperialistischer Staaten, die am Krieg beteiligt waren, die für Kriegsverbrechen angeklagt und verurteilt werden müßten. Leider ist das Gegenteil der Fall.« An die EU-Vertreter gerichtet erklärte Pafilis: »Sie haben Jugoslawien zerstört. Sie haben Protektorate geschaffen. Sie versuchen jetzt, auch Serbien zu annektieren. Fordern ein Reuebekenntnis von einem Volk, das etwas Selbstverständliches tat, nämlich die Unabhängigkeit seines Landes zu verteidigen. Sie mögen das Land denen, die es heute regieren, entreißen können, aber die Menschen werden die Verbrechen der USA, der NATO, der EU nicht vergessen und nicht vergeben. Heute setzt die EU die gleiche Politik mit der Unterstützung der Unabhängigkeit für Kosovo fort.«

In ihrer Kritik an der EU und der Europäischen Linken mahnt die KKE, sich keinerlei Illusionen hinzugeben, daß einer Stärkung des europäischen Zusammenschlusses auch mehr Nutzen für die Werktätigen entspringe. »Die Völker Europas sollten sich nicht durch eine ganze Reihe propagandistischer lügnerischer, und betrügerischer Parolen in die Irre führen lassen, daß ein Mehr an Europa gleichbedeutend sei mit einem sozialeren und von den USA emanzipierteren Europa. Die EU setzt ihrem Charakter nach die gleiche Strategie wie die USA um, in sozialen Bereichen genauso wie in internationalen Beziehungen. Der Wettbewerb zwischen beiden dreht sich nicht um den Willen der Völker, sondern um die Interessen der Monopole.«

Folgerichtig fordert die KKE die Auflösung der EU und propagiert den Austritt Griechenlands aus der »imperialistischen Vereinigung der Kapitalinteressen«. Ihre vier Abgeordneten im Europäischen Parlament nutzen ihr Mandat hauptsächlich dazu, aufzudecken und zu kommentieren, welche »Sauereien« in Brüssel und Strasbourg ausgehandelt werden.

Gelesen in junge Welt Nr. 272 vom 23. November 2007

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